Kapitel 02a
Auf den Spuren der Altvorderen
Von Fritz Burger
Nach altbäuerlicher Tradition läutet in Gersbach täglich um elf Uhr die Mittagsglocke: Ein Zeichen dafür, daß sich der Vorort Gersbach, trotz städtischer Obhut, bis heute einen Großteil seines ländlichen Charakters bewahrt hat.
Am Sonntag, wenn das vierstimmige Geläut der Friedenskirche die Gläubigen zur Andacht ruft und der Klang der Glocken sich über den Feierabendfelsen hinüber klingt in die Stadt, erinnert sich kaum einer der Gersbacher daran, daß die Glocken und die Kirche im Dorf erst knapp 30 Jahre alt sind: Eine kurze Zeitspanne in der 700jährigen Geschichte des Dorfes.
Bis zum Jahr 1954 stand die Pfarrkirche der Gersbacher in Pirmasens. Mehr als 700 Jahre riefen die Kirchenglocken, über den Imserbühl hinüber, die Gersbacher zum Kirchgang nach Pirmasens. Zunächst in die im Jahr 1225 erbaute Pfarrkirche, in der Landgrafenzeit in die Garnisonskirche, die spätere Lutherkirche. Dorthin gingen sie an Sonn- und Feiertagen zum Gottesdienst, dort wurden die Neugeborenen getauft, die der Schule entwachsenen jungen Menschen konfirmiert, dort schlossen die jungen Gersbacher ihren Bund fürs Leben. Neben der alten Kirche, nahe dem Wedebrunnen, fanden die verstorbenen Gersbacher ihre letzte Ruhe. Später, als der Kirchhof für die Soldatenstadt zu klein geworden war, ruhten sie auf dem neuen, inzwischen alten Friedhof, draußen vor der Mauer, nahe dem Buchsweiler Tor.
Und schon stehen wir inmitten der Geschichte unseres Dorfes, auf der Suche nach den Spuren unserer Altvorderen. Hierzu bedarf es zunächst eines Blickes in die geschichtliche Vergangenheit und auf die Zeitabläufe der Besiedlung unseres Raumes. Der Heimatforscher Adolf Rothhaar, der lange Jahre Lehrer in Gersbach gewesen ist, hat es gerne übernommen, für die Gersbacher, insbesondere für seine ehemaligen Schüler und deren Nachfahren, in dem nun folgenden Beitrag über die ältere Geschichte Gersbachs zu berichten.
Kapitel 02b
Die Gersbacher Frühgeschichte
Von Adolf Rothaar
Schon während der Steinzeit hielten sich Menschen auf der Gersbacher Gemarkung auf. Den Beweis dafür liefert ein Steinbeil, das der Gersbacher Heimatforscher Jörg Reiser auf dem Gewann “An den Backöfen” am Rande des Eischbergs fand. Lebten die Steinzeitmenschen zunächst von der Jagd, bauten sie in der jüngeren Steinzeit Hirse, Gerste und Weizen an, hatten daneben in kleinen Siedlungen Schafe, Ziegen und Schweine, nicht zuletzt stellten sie auch einfache Tongefäße her.
Vor etwa 2000 Jahren verdrängten die Kelten, die in unsere Region zogen, die Urbevölkerung. Spuren eines keltischen Ringwalls sind am Südrand des Hochwaldes auf der benachbarten Windsberger Gemarkung, in dem Gewann “Langenäcker”, zu finden.
Kelten und Germanen mussten schließlich den Römern weichen, die, aus dem Bliesgau gekommen, von etwa 50 bis 500 nach Christus auch unsere Region beherrschten. Steinerne Zeugen der römischen Herrschaft sind die Reste eines römischen Hauses, die in dem Gewann “Am Bildstöckl” entdeckt wurden, aber auch in dem Gewann “Eselskopf”, nahe der Windsberger Gemarkung, wurde man in den sechziger Jahren auf das Fundament eines römischen Hauses aufmerksam. Und selbst auf der Eichelsbacher Mühle, die ja ebenfalls auf der Gersbacher Gemarkung liegt, stand ein kleines Gebäude, dessen unterer Teil aus der Römerzeit stammt. Die dafür verwendeten Steine hatten Größe und Form, wie ich sie 1958 in Windsberg bei der Freilegung eines römischen Hauses gesehen hatte. An der Ausgrabungsstelle führt die heutige Römerstraße in Windsberg vorbei, die Gewann wird als “Kastellberg” bezeichnet. Der jetzige Besitzer der Eichelsbacher Mühle erzählt mir auch, daß er sich beim Abriß des erwähnten kleinen Gebäudes beim Anblick der großen alten Steine gewundert habe.
Aber auf dem Mühlengelände und im Felsalbtal existierten früher noch weitere Überreste aus römischer Zeit. Schulrat Emrich aus Pirmasens erzählte mir vor Jahren, daß sich bei der Eichelsbacher Mühle neben dem Weg ein steinernes Männlein in Hockerstellung befunden habe. Manchem Lothringer Arbeiter, der in Pirmasens vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigt war, hätte es beim Vorbeigehen in der Morgen- und Abenddämmerung Furcht eingejagt. Ludwig Gottschall, ein aktiver Heimatforscher früherer Jahre, berichtete in der Pirmasenser Zeitung vom 6. April 1961 unter der Überschrift “Verwittert, vergessen und verschwunden” von einem Felsenbild bei der Eichelsbacher Mühle, das im Jahr 1830 bei der Ableitung eines Weihers gefunden worden ist. Es könnte sogar schon vor der Römerzeit dort gewesen sein.
Oberhalb der Eichelsbacher Mühle, in Richtung Bottenbach, befand sich auf dem “Mühlfeld” ein römischer Friedhof. Dr. Carl Pöhlmann berichtet in seinem Buch über den Bliesgau: “Auf dem Mühlfeld, oberhalb der Eichelsbacher Mühle, wurde im 19. Jahrhundert ein kleines römisches Urnenfeld festgestellt, dessen Reste in das historische Museum nach Speyer kamen.”
Auch eine der gut befestigten römischen Fernstraßen führte an Gersbach vorbei. Sie kam aus dem Bliesgau, führte am “Adelbusch”, am Nünschweilerer Sportplatz, entlang in Richtung Dusenbrücken, wo sie auf der Windsberger Gewann “Die Furt” das Blümelstal überquerte und sich weiter zum Erkenstein im Herrenwald hinzog. Gegenüber der ehemaligen Rothmühle führte diese Straßenverbindung den Berg hoch zur Gewann “Auf der alten Straße” und weiter am Nickelsbrunnen vorbei zum Gersbacher Sportplatz. Ab dieser Stelle zog sie sich über den “Breitsitters” und am heutigen neuen Gersbacher Friedhof vorbei hin zur Winzler Gemarkung.
In der Nähe des Gersbacher Sportplatzes, an der Gemarkungsgrenze zwischen Gersbach und Windsberg, die zugleich auch Landesgrenze zwischen Pfalz-Zweibrücken und Hanau-Lichtenberg war, befand sich in späterer Zeit “Die alte Klink”. Der Windsberger Gewanname erinnert noch daran. 1564 beschreibt sie der schwedische General Tilemann Stella mit folgenden Worten: “Alte Klink am Breitsitters, welche gar verfallen und verloren ist.” An der alten Klink führte auch die alte Hornbacher Straße vorbei. Sie war eine Zoll- und Wegstation, an der sich die Pferdefuhrwerke, die auf dieser wichtigen Straße unterwegs waren, etwas erholen konnten.
Eisberg, Grozineich und Atzbach
Aber zurück zur Römerzeit, die durch den Einfall der Germanen, Alemannen und Franken vertrieben wurden. Sie siedelten sich meist in der Nähe früherer römischer Siedlungen an und führten Land- sowie Forstwirtschaft ein. Unter fränkischer Herrschaft entstanden viele Klöster, darunter auch das vom Glaubensboten Pirminius gegründete Kloster Hornbach. In der zum Klosterbesitz gehörenden Waldmark Pirmasens entstanden, auf der heutigen Gersbacher Gemarkung, kleine Siedlungen, die aber schon vor dem 30jährigen Krieg wieder eingegangen sind: Eisberg, Grozineich und Atzpach.
Eisberg war auf der heutigen Gewann “Eischberg” entstanden. Pfarrer Eulmann erwähnt in seinem Buch den Ort Eisberg, dessen Bewohner in den zum Kloster Hornbach gehörenden Ort Pirmasens zur Kirche gegangen seien. 1296 bekennt Heinrich, der jüngste Sohn des Grafen Heinrich II., Probst in Speyer und Pfarrer zu Ninneswilre (Nünschweiler), auf die Güter in dem zur Pfarrei Birmesessen gehörenden Dorf Eisberg, die er für seine Pfarrei beanspruchte, kein Recht zu haben, da sie zum Hornbacher Klosterzehnten gehören.
Auch Atzpach wurde ebenfalls früh eine Wüstung. Der Ort war in der Nähe des Blümelstales zwischen dem Eischberg und dem Kohlberg angesiedelt. Nur der Gewanname “Atschbach” erinnert heute noch an diese Siedlung. Als ich vor einigen Jahren nach den Spuren dieser früheren Siedlung suchte, traf ich Jakob Rothaar, der aus Gersbach stammte und heute in Hengsberg lebt. Er berichtete aus seiner Jugendzeit, als er auf einer elterlichen Wiese in der “Atschbach” das Gewölbe eines Hauses gesehen hat. Als die Wiese gesäubert wurde, sind die aufgefundenen Steine in den Keller dieses Hauses geworfen worden.
Über Grozineich, auch Großeneich genannt, berichtet Lothar Kampfmann in seinem Buch “Die Wüstungen der Reichsämter Homburg, Zweibrücken und St. Ingbert”. 1295 wird der Ort in der gleichen Urkunde erwähnt, in der auch Gersbach erstmals in der geschriebenen Geschichte erscheint. 1333 wiesen die Grafenbrüder Simon und Eberhard von Zweibrücken ihrem Vetter Walram II. “des schefers sun von Grozeneich” zu.
Quellen:
Friedrich Sprater, “Die Pfalz in der Vor- und Frühzeit”
Helmut Eulmann, “Die Gottesscholle”
Philipp Schmidt, “Du mein Heimatland”
Lorenz Kampfmann, “Die Wüstungen”
Dr. Carl Pöhlmann, “Vortrag über den niederen Landadel”·
Kapitel 02c
Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert
Von Fritz Burger
Wer war der erste Siedler?
Die Gründung des Dorfes Gersbach, das in der Urkunde 1295 Gerlisbach genannt wird, liegt im Dunkel der Geschichte. Da die Historiker übereinstimmend der Meinung sind, “Ein Gemeinwesen, das in einer Urkunde genannt wird, muss zuvor bestanden haben”, ist die eigentliche Gründung der Ansiedlung in der Zeit vor 1295 zu suchen. Ebenso ungewiss ist die Herkunft des Namens Gersbach. Vermutungen, wie sie Ernst Christmann, Martin Dolch und auch Adolf Rothhaar anstellen, wonach der Ortsname von dem Personenname Gerli oder Gerhard abgeleitet sind, haben ihre Berechtigung, ebenso aber auch die Überlegung, den Namen mit der Wildgans in Verbindung zu bringen. “Gerhard” hieß in der mittelalterlichen Tiersage die männliche Gans, demnach könnte der Name auch als “Gänserichbach” gedeutet werden: Gersbach als die Siedlung am “Gänserichbach”, der zum Wallerstein hin aus mehreren Quellen gespeist wird, die “wallende” Gersbach, die sich in den Blümelsbach ergießt. Hier sei auch an das romantische, felsenreiche Gersbachtal bei Niedersimten erinnert, durch das ein Bächlein gleichen Namens fließt. Ob und wie weit ein Zusammenhang mit dem Ort Gersbach oder mit dessen Namenspatron besteht, ist nicht bekannt.
An der Grenze der Waldmark Pirmasens
Bevor wir nach dem Gründer und Namensgeber von Gersbach in den Registern des Benediktinerklosters Hornbach suchen, befassen wir uns mit der großen Waldmark des Kosters, in deren westlichen Grenzbereich unser Ort entstanden ist.
Die Waldmark, deren Ausdehnung und Grenzverlauf erstmals in einem Aktenstück aus der Zeit um 1500 beschrieben wird, war dem Kloster Hornbach im achten Jahrhundert wahrscheinlich von einem Grafen Werner geschenkt worden, beziehungsweise er hatte sie, wie in alter Zeit üblich, dessen Schutzpatron zugeeignet. Und da in dem im östlichen Zipfel des Bliesgaues gelegenen großen Waldgebiet als erste Siedlung “Pirminiseusna” – ein alleinstehendes, einzelnes Gehöft des Pirminius – als das heutige Pirmasens entstand, spricht der Historiker von der Waldmark Pirmasens.
Ernst Christmann schreibt 1963 zu der vorstehenden Karte, in der die genauen Grenzen der Hornbacher Waldmark als strichpunktierte und punktierte Linien eingetragen sind: “Wer sie verfolgt erkennt: 1. die an Kloster Hornbach geschenkte Waldmark umfaßt ein Landgebiet mit folgenden darin entstandenen Siedlungen: Pirmasens, dem eingemeindeten Ruhbank, Simten, Winzeln, Gersbach, Fehrbach, das nördlich von Pirmasens untergegangene Hunscheid (auf der Husterhöhe), den auf dem linken Ufer der Rodalb gelegenen Teil von Dorf und Mark Münchweiler, Ruppertsweiler und das westlich von Lemberg untergegangene Dorf Gutenbach. 2. Die Außengrenzen all dieser aufgezählten Siedlungen zusammen stellen die Grenzen des einstigen St. Pirminslandes dar; die Waldmarkgrenzen sind also nach mehr als 1200 Jahren noch vorhanden.” Zur Waldmark gehörten, was Christmann nicht berücksichtigt, bis zum Jahre 1198 auch der “Gudinberg” und der “Ruprechtisberg”, die Graf Heinrich I. dem Kloster abkaufte, um dort zur Sicherung der Ostgrenze seiner durch Besitzteilung im Jahr 1180 entstandenen Grafschaft Zweibrücken eine Burganlage zu errichten.
Gersbach entstand nahe der westlichen Grenze der Waldmark, die, soweit sie den späteren Bann berührte, um 1500 wie folgt beschrieben wird: “… die Blidesbach abe bihs uff die Schelbach, die Schelbach (Felsalbe) abe bihs an den eselspatt, den eselspatt bihs an die Wespenhecke, von Wespenhecke faut Gerhards hecke abe bihs uff die felsalbe, die Felsalbe (Blümelsbach) bis an Fridenbecher grundeln, uff Friedenbecher grundeln uff und ginset abe bihs in die lambach, die lambach uff und oben hin bihs an den Staffelstein …”
Diese Grenze, gezogen im achten Jahrhundert, sollte für Gersbach bis zur Eingemeindung zur Stadt Grenze bleiben.
Aus den Urkunden des Klosters Hornbach
In der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts erscheinen in den Urkunden des Klosters Hornbach erstmals Ministerialen, Dienstleute, denen, obwohl Hörige, also Unfreie, die Verwaltung der Meierhöfe des Klosters übertragen war. Dafür erhielten sie besondere Rechte und jederzeit widerrufliche Lehen, also Landbesitz.
In einer Urkunde des Abtes Konrad aus dem Jahre 1182 werden unter anderen als Ministerialen genannt: “Gerwinus scultetus de Visbach und Gerhart”. Zu jener Zeit wird in einer Auflistung “der zum Zwecke der Finanzverwaltung und Handhabung der Rechtspflege” in zehn Bezirke aufgeteilte Besitz des Klosters als neunter der „Höfe“ Pirmasens genannt. Der Hofbezirk entsprach der Waldmark, mit den darin entstandenen Siedlungen “Fehrbach, Gudenbach, Nunscheit, Inshalben und Münchweiler”. Gerlisbach, also Gersbach, wird weder hier noch bei den Siedlungen genannt, die im Jahr 1225 zur Pfarrei Pirmasens gehörten.
Die Vermutung liegt nahe, kann aber nicht belegt werden, daß dem 1182 genannten Ministerialen Gerhart für besondere Verdienste im Bereich des Klosterhofes Pirmasens eine Grundfläche als Lehen und zum Eigennutz überlassen wurde, die, wie die Gewanne Gerhardseck bezeugt, an die Grenze des Klosterhofes Nünschweiler stieß.
Wann Gerhart seine Siedlung begründete, steht nirgendwo geschrieben: Nehmen wir an, Mitte des 13. Jahrhunderts. Wie groß sein Landbesitz gewesen ist, wissen wir nicht. Einen Hinweis könnte uns die Banngrenze des Dorfes Gersbach geben, so wie sie bis zur Eingemeindung bestand. Sie umschloss sowohl das Gewann Eischberg, in der einst das Dörfchen Eisberg gelegen war, als auch die Wüstung Atzbach im Blümelstal. Liegt nicht der Gedanke nahe, dass die Gemeinsleute in den abgelegenen und schutzlosen Siedlungen sich in die Obhut des klösterlichen Dienstmannes begaben oder gar dazu gedrängt worden sind, sich bei seinem Hof in der Gerlisbach anzusiedeln? Denn wo sollen die Menschen, die zu jener Zeit als Leibeigene an die Scholle “gebunden” waren, hingekommen sein? Von Grozineich wissen wir, dass die Winzeler diese Klosterleute als ihre Urväter ansehen.
Die Edlen von Gersbach
Die Ministerialen als Angehörige einer neuen Führungs- und Oberschicht, zunächst aber noch als unfreie Diener der geistlichen oder weltlichen Höfe, fanden dank ihres sozialen Aufstieges durch Besitz und Rechte schon bald Beziehungen zum niederen Adel und bildeten mit ihm einen neuen Stand. So kamen Dienstleute in Verbindung mit den Familien der “Freien und der Edlen”, von denen einige zu hohem Ansehen gelangten.
Genau 50 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung von Gersbach erscheint im Jahre 1345 auch der Edelknecht Johann von Gersbach. Über ihn und seine familiären Verbindungen schreibt Adolf Rothhaar:
“Ich will nun über die adlige Familie von Gersbach berichten, die ihren Ursprung wohl in fränkischer Zeit hat. Die damaligen Herrscher belehnten manchmal Bauernsöhne wegen hervorragender Kriegs- oder Herrschaftsdienste mit einer Meierei, also Grundbesitz. Es entstand der niedere Landadel, so auch in Nünschweiler, Dellfeld und Windsberg. Besonders bekannt wurde aber der Landadel von Gersbach, der in hohem Ansehen stand.
Pfarrer Philipp Schmidt aus Nünschweiler berichtet in seinem Buch “Du mein Heimatland”: “Die bekannteste Familie ist die von Gersbach. Ihr ältestes bekanntes Mitglied ist Johann von Gersbach. Er war Lehensmann des Klosters Hornbach, zu dessen Besitz der Ort Gersbach ursprünglich gehörte, und wird erstmalig am 5. August 1345 genannt. Diese reich begüterte Familie trat durch Heirat von Ennychin von Gersbach mit dem Edelknecht Johann von Nünschweiler im Jahre 1426 in verwandtschaftliche Beziehung mit dem Adelsgeschlecht von Nünschweiler. Der Stammbaum des Gersbacher Adels, soweit bekannt:
Johann von Gersbach, Edelknecht 1345
Heinrich von Gersbach, Edelknecht 1365
Seine Kinder: Nikolaus, kinderlos
Hensel, vier Töchter
Hensel von Gersbach 1373 bis 1410
Seine Kinder: Katharina
Margaretha
Ennychin
Uemel
Ennychin erhielt als Tochter Hensels als ihr Erbteil einen Teil von Tentelingen an Zehnten, Geld von Rich und Altheim und vom Hof an St. Wolfrit. Sie hatte Teil am burggesetzlichen zu Zweibrücken und Gauerbenschaft auf dem Drachenfels.
Oberegierungsrat Dr. Pöhlmann berichtete am 27. Januar 1927 beim historischen Verein in Zweibrücken über den Landadel. Er erwähnte dabei die Gersbacher Adelsfamilie als Beispiel dafür, daß sie wohl eine kleine, aber keineswegs unbedeutende Landadelfamilie war. Sie erscheine oft in Urkunden, besonders Hensel von Gersbach. Pöhlmann bestätigte in diesem Zusammenhang, daß sich zu dieser Zeit einzelne Bauern von der Scholle lösten und bekannte Krieger oder Financiers wurden.
Mit allen Herren des Westrichs habe dieser Hensel von Gersbach in Verbindung gestanden, mal als Lehensmann, mal als Bankier. Die von Gersbach haben im Bliesgau durch Verpfändung oder Kauf ein Gut nach dem anderen erworben, aber auch über den Bliesgau hinaus mehrten sie ihr Land und Vermögen.
Da zuletzt aber keine Söhne mehr geboren wurde, starb die Linie der von Gersbach aus. Ihr erster Ahnherr ist nicht bekannt.”
Soweit Adolf Rothaar zur Bedeutung des Gersbacher Landadels. Dass aus der Familie der Edlen von Gersbach nicht erst Hensel als Lehnsmann und Bankier auftritt, bezeugt eine Urkunde aus dem Jahre 1345, nach der Edelknecht Johann den in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Grafen von Leiningen “behilflich” ist. Die Urkunde des Landesarchivs Karlsruhe besagt: Im Jahr 1325 beurkunden der Domprobst (zu Worms) und sein jüngerer Bruder Emich, dass sie dem Edelknecht Johann von Gerspach für seine Schuld von 200 Pfd. Heller “guter und geber” jährlich 20 Pfd. Heller, das sind zehn Prozent “uff unser Gueter zu Grevenstein und das dazu horet und uff unser Hofe zu Rodalben und das dazu horet das gegen Grevenstein dienet”, verlegt haben. (PGBL 2/28)
Gersbach in der Grafschaft Zweibrücken-Bitsch
Mit dem Hinscheiden des Letzten aus der Familie der Edlen von Gersbach, Mitte des 15. Jahrhunderts, fällt unser Dorf in eine scheinbar geschichtslose Zeit. Keine Urkunde erwähnt das Dorf, kein Ereignis, das die Zeiten überlebte, ist bekannt. So kann die Geschichte des Dorfes und die Entwicklung des Gemeinwesens nur gemessen werden an den allgemeinen Zeitabläufen, aus den Besitzverhältnisen, den Lebensgewohnheiten und an den von den Herrschaften auferlegten Pflichten und Rechten.
Wir wissen nicht, wann die Leibeigenschaft der Pirminsleute vom Kloster an die Zweibrücker Grafen überging. Wenn die Annahme richtig ist, dass die mit der Urkunde 1295 von den Grafen Eberhard und Walram vorgenommene Teilung sich in erster Linie auf Leibeigene bezog, müsste diese mit der Gründung der Grafschaft Zweibrücken im Jahre 1180 und der Übernahme der Vogteirechte von Graf Heinrich I. vom Kloster zur Grafschaft übergegangen sein.
Graf Eberhard I. gründete im Jahre 1297, nach dem er mit dem lothringischen Herzog Friedrich einige lothringische Dörfer gegen die Burg und die Herrschaft Bitsch eingetauscht hatte, die Grafschaft Zweibrücken-Bitsch. Eberhard I. residierte in Bitsch und überließ einem Amtmann auf Burg Lemberg, die Verwaltung seiner zweibrückischen Erblande. Erst im Jahre 1333 teilten die Brüder, um unliebsamen Streitereien aus dem Weg zu gehen, die Grafschaft Zweibrücken endgültig. Sie zogen die Herrschaftsgrenzen, vom Pirminstein bei Bottenbach kommend, zum “schwarzen Stein” im Felsalbtal, entlang der alten Waldmarkgrenze, durch die Eselskaut, über das Gerhardseck, hinunter in das Blümelstal: Gersbach war und blieb ein Dorf an der Grenze.
Forthin waren die Grafen von Zweibrücken-Bitsch die Landesherren. Sie beanspruchten den Zehnten, Abgaben und Steuern und saßen zu Gericht. Sie alleine hatten das Recht auf die Jagd. Die Landesherren verfügten über die Leibeigenschaft “ihrer” Leute. So wie im gesamten Amt Lemberg lebten auch in Gersbach Gemeinsleute, Hörige und Schirmer.
Gemeinsleute, Hörige und Rechtslose
Ein Gemeinsmann besaß als vollberechtigtes Glied der Dorfgemeinschaft das Wahlrecht, aber auch die Verpflichtung, Steuern und Abgaben zu entrichten. Gemeinsmann konnte nur werden, wer verheiratet war und einen Besitz von 200 Gulden nachweisen konnte. Nur er wurde auch gezählt: Die übrigen Mitglieder der Familie, Frau, Kinder oder im Haus wohnende Knechte und Mägde, blieben ungezählt.
Als Leibeigene, die sie geblieben waren, mussten die Gemeinsleute Frondienste der verschiedensten Art leisten: Von persönlichen Verrichtungen über Spanndienste als Erntehelfer, Treiber bei Jagden auf Menschen – Gesindel und fahrendes Volk – und Tiere bis hin zur Kriegsfron. Neben den üblichen Abgaben in Geld und Naturalien (Zehnten) bestand die Herrschaft beim Tod eines Gemeinsmannes auf das “Besthaupt”. Von den Hinterbliebenen musste das beste Stück Vieh im Stall abgeliefert werden. Daneben stand der Herrschaft das “Hauptrecht” zu, das ihr erlaubte, sich auch das beste Stück Möbel anzueignen. Da aber die Landesherrn in ständigen Finanznöten lebten, wurde schon bald das “Besthaupt” und das “Hauptrecht” in einen Geldwert umgelegt, der etwa zwei Prozent der Hinterlassenschaft betrug. Eine Wittfrau durfte nur mit der Zustimmung des Landesherren eine neue Ehe eingehen.
Eine etwas bessere soziale Stellung gegenüber der Hauptschicht der Gemeinsleute nahm der “Hörige” ein, aber auch er war kein “freier” Mann. Der Herrschaft “hörig”, oblag ihm die Verpflichtung zu gemeinen, häuslichen und landwirtschaftlichen Diensten. War er Hofbesitzer, so vererbte sich seine “Hube” – ein unteilbares Areal aus Land, Wiesen und Wald – an einen seiner Söhne, den die Herrschaft nach dem Tod des “Hörigen” durch Los ermittelte.
Zu den Besitzlosen zählten die “Schirmer”, auch Bei- oder Hintersassen genannt. Sie besaßen keinerlei bürgerliche Rechte. Es waren vermögenslose Fremdlinge, die als Tagelöhner, Gängler oder als Hirten im Dorf ihr säuerliches Brot verdienten. Da sie nur als Geduldete im Land saßen und nur unter dem Schutz oder Schirm der Herrschaft standen, hatten sie alljährlich ein sogenanntes “Schirmgeld” zu entrichten, das in der Regel von dem Gemeinsmann oder Hörigen entrichtet wurde, bei dem sie als Knecht oder Magd dienten.
Schließlich bleiben in der sozialen Rangordnung die “Wildfänge”: Dazu zählten uneheliche Kinder, aber auch Junggesellen, wenn sie 35 Jahre alt waren und eine Aufforderung zur Heirat nicht befolgten. “Die meisten wohl sind heimatlose Menschen gewesen, die verarmt, meist ohne festen Willen zu arbeiten, im Lande herumzogen.”
Dorfrechte
Zur Verwaltung und zur Wahrung der Dorfrechte richtete die Herrschaft schon sehr früh sogenannte “Schultheißereien” ein, zu deren Aufgabe “auch die Einbeziehung der von den “armen Leuten”, das heißt von den Untertanen zu entrichtenden Zinsen, Güllen und andere Abgaben, auch des Zehnten, der ursprünglich an die Kirche, den Pfarrer abzugeben war”, gehörte. Gersbach unterstand zu jener Zeit der Schultheißerei Pirmasens.
Die Verantwortung für das dörfliche Geschehen, insbesondere für die Einhaltung von Recht und Ordnung in der Gemeinde, oblag dem “Heimburger”, der “alljährlich am Stephanstag (26. Dezember) in der Weise gewählt wurde, daß der bisherige Heimburger und sein Vorgänger der versammelten Gemeinde zwei taugliche Männer vorschlagen, damit sie einen mit Stimmenmehrheit zum neuen Heimburger wählt. Der Gewählte hat das Amt ein Jahr lang getreulich zu verwalten. Die Bürger mußten ihm Handtreu geloben, er der Herrschaft. Der bisherige Heimburger war verpflichtet, ihm als Mitgehilfe fleißig an die Hand zu gehen” (aus: “200 Jahre Pirmasens”).
Über die Aufgaben des Heimburgers, der mit unserem heutigen Bürgermeister oder Ortsvorsteher vergleichbar ist, gibt ein aus dem Jahr 1691 vorliegendes “Weisthum” Auskunft:
Die Urkunde, die 27 Artikel enthält, ist weitgehend als Fort- oder Festschreibung teils Jahrhunderte alter Dorfrechte zu verstehen. Zu den wichtigsten Aufgaben und Verpflichtungen des Heimburgers zählen: Er ruft im Bedarfsfall durch ein Glockenzeichen die Bürger zur Gemeindeversammlung. Wer ohne triftigen Grund fernbleibt, wird bestraft. Allmonatlich hat der Heimburger mit seinem Gehilfen und einem zugezogenen Bürger die Feuerstellen und Kamine zu besichtigen und diejenigen zu bestrafen, die nicht die notwendige Vorsicht walten lassen.
Der Heimburger und sein Gehilfe gehen einmal im Vierteljahr von Haus zu Haus, um das mit der Herde ausgetriebene Vieh aufzuschreiben, mit der versammelten Gemeinde den Hirtenlohn festzusetzen, demgemäß die zu entrichtende Viehütegebühr festzulegen, allsdann das Geld einzusammeln und dem Hirten auszuhändigen. Der Heimburger ist von der Pflicht nicht ausgenommen, wenn die Gemeinde einmal keinen Hirten hat, reihum mit den anderen Bauern die Hut der Gemeindeherde zu übernehmen. Die Mehrzahl der Artikel befasst sich mit Problemen der Viehwirtschaft, der Nutzungsrechte, Schadensfestlegung und ähnlichem. Andere Bestimmungen betreffen die öffentliche Ordnung, Fragen des Bürgerrechts und regeln die Aufgaben der Gemeinde beim Tod eines ihrer Bürger.
Am Stephanstag hat der Heimburger zwei “Schützen” für Feld und Wald zu bestimmen, die wie seit früheren Zeiten reihum aus der Bürgerschaft zu nehmen sind. Ebenso bestimmt er zwei “Ächter”, die an Früchten, Gras oder Gärten durch Vieh oder auf andere Weise entstandener Schaden zu schätzen haben.
Der Heimburger hat bei seinem Abgang am Stephanstag der Gemeinde Rechnung über Einnahmen und Ausgaben zu erstellen, sodann die “vorbeschriebenen Punkte oder Articul” der Gemeinde verständlich vorzulesen “und dem neuen Heimburger drauff angelobt werden”.
Alte Wege und Straßen
Für die Erledigung vieler täglicher Aufgaben mussten die Gersbacher, seit es den Ort gibt, sich in das naheliegende Pirmasens begeben: Dort stand die Pfarrkirche, dort saß der Amtmann der Herrschaft, dort entwickelte sich schon sehr früh Handel und Handwerk.
Suchen wir nach den Spuren unserer Altvorderen, so müssen wir auch nach den Wegen und Pfaden suchen, die sie über Jahrhunderte gegangen sind. Wege, die unsere Generation teils noch heute kennt und die die Gersbacher in den Jahren der Not nach 1945 in die Stadt zur Arbeit und zur Schule führten. Lassen wir unseren Gedanken freien Lauf, gehen zurück in die Gründerzeit und folgen den Pfaden über Felder und durch Wälder hinüber in das Dorf “an der Weed”.
Da war das “Hutpäädche”, das vom Dorf über den Matzenberg und die Sang zum “Bildstöckel” führte. Es dürfte die älteste Wegverbindung zum Pfarrdorf gewesen sein. Am “Bildstöckel” traf der Pfad dann mit dem Weg zusammen, den die wenigen Bewohner der einst auf dem Eischberg gelegenen Ansiedlung “Eisberg” gegangen sind.
Gibt der Name des längst vergessenen “Bildstöckel” der Wegkreuzung auf der Höhe, oberhalb der Riegelwiesen, nicht eine eher historische Bedeutung? Wäre es abwegig, daran zu denken, daß die Mönche des Klosters Hornbach, lange bevor es Gersbach und Eisberg gegeben hat, vom Klosterhof Nünschweiler her durch das Blümelstal den kürzesten Weg nahmen, am “Bildstöckel” vorbei, hinüber zur Klostersiedlung am Wedebrunnen? Hat es nicht unten in einem engen Seitental die Ansiedlung “Atschbach” gegeben? Auf einer alten Landkarte führt ein Weg von der Bärenhütte durch den Plauel an die Furt, um aus der Atsch- oder Atzbach am Kahlenberg anzusteigen zum “Bildstöckel”.
Die Gemeinsleute, alte und junge, aus Gersbach und Eisberg gingen gemeinsam den steinigen Weg durch die “Appeldell” hinunter ins Tal. Dort, wo sie das Steinbächel überschritten, trafen sie mit den Leuten aus “Grozineich” zusammen, deren Ansiedlung, von Wald umgeben, in der Talspanne unter dem “Knopp” versteckt gelegen war. Alle hatten sie den gleichen Weg, an der Felswand des Imserbühl vorbei, in die weite Talsenke, an deren Ende in Pirmasens ihre Pfarrkirche stand.
So blieb es, bis Landgraf Ludwig IX. durch die Fröhn die Stadtmauer zog. Dann mussten die Gersbacher über den Imserbühl steigen, um über den “Gersbacher Weg” auf den Pirmasenser Matzenberg zu kommen und von dort weiter zum Buchsweiler Tor.
Gefahren sind die Gersbacher mit ihren Kuhfuhren, Handkarren und Ochsengespannen in früheren Zeiten am “Aspentrog” vorbei zur alten Heer- und Handelsstraße, die droben am “Breitsitters” vorbeizog. Ihren Verlauf, von Hornbach kommend bis zur “alten Klink”, kennen wir aus dem frühgeschichtlichen Beitrag von Adolf Rothaar. Lorenz Kampfmann beschreibt den Streckenverlauf, von Pirmasens aus gesehen, in den Pirmasenser Geschichtsblättern 1934:
“Vielspurig und breit ausladend, beginnt diese mittelalterliche Straße, die in einen Höhen- und Talweg zerfällt, heute hinter der Pirmasenser Ziegelhütte. Nachdem sie in wechselnder Breite von drei bis zehn Metern die geraume Ackerflur des “Gehänderwaldes” fast bolzengerade durchzogen hat, biegt sie vor dem Dorfe Winzeln, beim Wasserturm, rechts ein, durchquert den Ort und gewinnt beim Schulhaus wieder das freie Feld. Hier, durch der Bauern Bodengier, zu einem gemeinen Gewannenweg geworden, folgt sie anfänglich den Telegraphenstangen, später aber strebt sie zur Waldabteilung “Breitsitters” hinüber. In behäbiger Breite säumt sie nun dieses Forstes östliche Seite. Nachdem sie dann den Gersbacher Sportplatz gestreift hat, kriecht sie bei ihrer Artgenossin, der Distriktsstraße Gersbach-Windsberg unter…”
Nach Oskar Schäfer hieß die Kaiserstraße vor dieser Bezeichnung “Kirchhofsweg”, was für die alte Wegführung nach Winzeln und Gersbach spricht, denn die dort gestorbenen Bürger wurden bis zum Jahr 1889 auf dem Friedhof in Pirmasens bestattet.
Gersbach im Bauernkrieg…
Erst im frühen 17. Jahrhundert erscheint Gersbach wieder in einer Urkunde. So wissen wir nicht, wie sich das Dorf unter der Herrschaft der Grafen von Zweibrücken-Bitsch entwickelte oder wie viel Einwohner es zählte. Wir wissen auch nicht, ob und wie weit Gersbach von den Auswirkungen des Bauernkrieges 1525 betroffen war. Wir kennen zwar die Ursachen des Bauernkrieges, die soziale Not und die weitgehende Rechtlosigkeit der hörigen Bürger, kennen auch die zwölf Artikel des Manifestes der Bauernbewegung, aber von einem organisierten Protest der Bauern im Amt Lemberg ist nichts bekannt. Anders dagegen verlief der Bauernaufstand im Bitscher Land, wo der lothringische “Kolbenhaufen” wütete. Die aufgebrachten Bauern besetzten die Burg Bitsch, aus der der Graf fliehen mußte. Sie plünderten und zerstörten Teile des Lemberger Schlosses, das Kloster Stürzelbronn, brandschatzten den Ransbrunnerhof und die Kapelle in Trulben. Andere stürmten die Mauern desKapitel 02c/p Gräfenste /pp ppin und steckten den Kaltenbacherhof in Brand.
…wird hanau-lichtenbergisch…
Einen gravierenden Einschnitt in der Geschichte des Amtes Lemberg brachte der Tod des Grafen Jakob, dem letzten im Mannesstamm der Grafen von Zweibrücken-Bitsch, an Pfingsten 1570. Graf Philipp V. von Hanau-Lichtenberg, mit der ein Jahr vor ihrem Vater verstorbenen Tochter des Grafen Jakob verheiratet, trat die Erbfolge an. Wegen der beabsichtigten Einführung des Luthertums als Landesreligion, auch im lothringischen Bitscherland, erregte Philipp das Missfallen des Lehnsherrn, Herzog Karl III. Nachdem auch die Tochter des bereits 1540 gestorbenen älteren Bruders von Jakob, des Grafen Johann, ihren Erbanspruch geltend machte, kam es zum Erbstreit. Herzog Karl nahm den Streit zum Anlaß, das gesamte Lehen einzuziehen und den lothringischen Teil der Grafschaft, sowie im Jahr 1572 auch die Burg Lemberg, die zur Hälfte der Lehenshoheit Lothringens unterstand, durch seine Soldaten besetzen zu lassen.
…und alle Bewohner lutherischen Glaubens
34 Jahre dauerten Streit und Besetzung im Amt Lemberg, bis der vor dem Kaiser geführte Prozess durch einen für Hanau-Lichtenberg recht nachteiligen Vergleich sein Ende fand. Graf Reinhard I., der Sohn des inzwischen verstorbenen Philipp V., unterschrieb 1606 in Nancy den mit dem lothringischen Herzog ausgehandelten Vertrag, wonach das Bitscher Land an Lothringen zurückfiel.
Das Amt Lemberg und mit ihm die ehemaligen lothringischen Dörfer auf der Hackmesserseite waren endgültig hanau-lichtenbergisch geworden. Bereits im Jahr 1575 hatte aber Graf Philipp V. für das Amt Lemberg das Luthertum als “einzigste und rechtsmäßige Landesreligion” verfügt. “Die Untertanen, auch die Gersbacher, mussten den lutherischen Glauben annehmen. Die Pfarrkirche, sämtliche Güter und die Einnahmen der Pfarrei gingen an die Lutheraner über. Der erste lutherische Pfarrer in Pirmasens, Ulrich Frölig, kam aus Trier.” Ausgenommen waren nach dem Vertrag von 1606 die Bewohner der aus der Pfarrei Walschbronn ausgegliederten Dörfer Eppenbrunn, Trulben, Vinningen, Hilst, Schweix und Kröppen: Sie blieben katholisch.
Mit ihrer Pfarrkirche waren auch die Gersbacher lutherisch geworden. Erstmals wurden sie auch von der Herrschaft gezählt: Im Jahr 1620 lebten im Dorf 19 Familien. Einschließlich dem Gesinde dürften das etwa 75 bis 80 Einwohner gewesen sein.
Gersbach im 30jährigen Krieg
Zu jener Zeit erschütterte schon der 30jährige Krieg das Land. Über das Schicksal des Dorfes Gersbach während der schrecklichen Kriegsjahre gibt es keine Nachrichten. So bleibt auch unbekannt, wann letztendlich das Dorf ausgeplündert, niedergebrannt, die Menschen vertrieben wurden oder umgekommen sind. Vermutlich erfolgte der endgültige Untergang im Jahr 1635, als die kaiserlichen Truppen Zweibrücken und Kaiserslautern belagerten und auch die Dörfer im Schwarzbachtal “zu Grunde richteten”. Ebenso dürften die Heerzüge der Spanier 1621/22, der Schweden 1632 und der Kroaten und Panduren, die 1636 das Amt Lemberg ausplünderten, nicht schadlos an Gersbach vorübergegangen sein.
Schon im Jahr 1634 bat der Pirmasenser Pfarrer Feuerlein um seinen Abschied, “weil er sich als völlig überflüssig vorkommt, da der Krieg und das Sterben die meisten Leute aufgerieben und die Gemeinde verödet ist” (aus: “200 Jahre Pirmasens”). Im Jahr 1635 wird die Burg Lemberg von kaiserlichen Kriegsvölkern eingenommen und 1636 verbrannt. “Was die armen Untertanen anbelangt, sind sie nunmehr ganz fertig gemacht, daß es zu erbarmen ist.” Ein Satz, der aus einem Bericht des Lemberger Amtmannes stammt und der die Auswirkungen der verheerenden Kriegszüge auf das Land und die Menschen deutlich werden lässt. Aus einem im Jahr 1641 aufgenommenen Amtsinventar geht hervor, “daß die meisten Dörfer verödet, fast alle Mühlen und Höfe niedergebrannt oder verfallen, die Felder verwildert” sind. Ein Großteil der Bevölkerung ist “des Hungers und an Seuchen gestorben. Viele durch die herumziehende Soldateska vertrieben oder ermordet”.
Beim Friedensschluss 1648 lagen weite Teile des Landes verwaist. “Brand, Mord und Raub an Flecken, Menschen und Vieh und anderem zur Lebensnotdurft Gehörendem hatten dem Amt Lemberg unaussprechlichen Schaden getan”. Von 430 im Jahr 1620 gezählten – abgabepflichtigen – Untertanen waren 13 Jahre nach dem Krieg erst wieder 72 zurückgekehrt. Im Jahr 1680 sind von 94 Untertanen des Amtes 53 Alteingesessene und 41 Neusiedler gewesen.
Die Jahre nach dem 30jährigen Krieg
Nur langsam entwickelte sich nach dem jahrzehntelangen Kriegsgeschehen das Dorf- und Gemeinschaftsleben wieder. Nach einem Schatzungsbericht des Amtes Lemberg lebten im Jahr 1661 in Gersbach vier Familien. Im Jahr 1648 waren es genauso viele, etwa 20 bis 24 Seelen. Aufgeführt im Schatzungsregister waren nur die abgabepflichtigen Familienväter, die Gemeinsleute, alle anderen waren “Handfröner”, die im Kirchenbuch verzeichnet, im herrschaftlichen Schatzungsregister aber nicht genannt wurden.
Die ältesten Gersbacher und ihre Sippen
Erste Kunde über die Neubesiedlung von Gersbach gibt das von Walter Siegl 1959 bearbeitete “1. Pirmasenser Sippenbuch”, das sich weitgehend auf die Eintragungen in den Kirchenbüchern der Jahre 1640 bis 1740 stützt.
Nach der Zerstörung von Burg und Dorf Lemberg verlegte die Herrschaft den Sitz des Amtes im Jahr 1689 nach Pirmasens. Bereits seit dem Jahr 1634 war Pirmasens der Hauptsitz der lutherischen Amtspfarrei. Das älteste Kirchenbuch beginnt im Jahr 1640: “Es enthält die Kaisalien aller Orte des Amtes, so daß sich das Kirchenspiel über die Orte Herschberg, Höheinöd, Bieber- und Apostelmühle, Münchweiler, Salzwoog, Lemberg, Eppenbrunn, Hilst, Schweix, Riedelberg, Vinningen, Gersbach, Winzeln, Fröschen, Thaleischweiler eingeschlossen, erstreckte”.
Siegl entnimmt der ab 1657 vom Schultheißen Oswald Stegner aufgestellten Kirchenrechnung die Namen der ersten Siedler in den Dörfern des Amtes Lemberg.
In diesem Jahr, neun Jahre nach dem Ende des Krieges, “zählt Gersbach noch immer zu den zehn unbewohnten Orten des Amtes.” Erst in den Abrechnungen 1658 und 1659 werden als Bewohner in Gersbach genannt: Wolf Stegner, Jacob Korb und Diebold Hauck.
Diebold Hauck:
Er erscheint im Sippenbuch nicht. Bei insgesamt elf Eintragungen von Familien mit dem Namen Hauck oder Haug – mit bis zu 13 Kindern – wird Gersbach nicht genannt.
Jacob Korb:
Er heiratet in Gersbach, das Datum und der Name seiner Frau sind nicht verzeichnet. Korb hat drei Kinder. Sein 1647 geborener Sohn gleichen Namens (der Geburtsort wird nicht genannt), hat mit Anna Margarete zehn Kinder, drei sterben als Säuglinge. Der 1687 geborene Sohn Johann Jacob, gestorben 1756, wird Kirchenältester in Gersbach. Er ist mit Anna Maria Knerr aus Lemberg verheiratet. Sie haben acht Kinder, die zwischen 1719 und 1740 geboren sind.
Wolf Stegner:
Über die Sippe Stegner schreibt Walter Siegl in der Heimatbeilage der Pirmasenser Zeitung im Jahr 1956, daß Oswald Stegner von der Herrschaft als Schultheiß in Pirmasens eingesetzt worden war: “Vermutlich stammt er aus Gersbach, dort lebt zur gleichen Zeit sein älterer Bruder Wolfgang, genannt Wolf (geboren 1597) . Oswald begründete die Pirmasenser Linie. Kinderreicher sind die Nachkommen des Wolf Stegner in Gersbach. Er selbst hatte vier Kinder: Hans Michael verheiratete sich nach Vinningen, Oswald bleibt in Gersbach, Johann Eberhard und Hans Adam leben in Winzeln und begründen diese Stammlinie. Die dritte Stegner Generation zählt schon 26 Kinder. Die vierte ist dann schon so stark, daß sie ganze Listen fülllen würde. Die Stegner sind aber auch jene, die immer im Gemeindeleben mitwirken. Wir finden bei ihnen Kirchenzensoren, Kirchenälteste, Gerichtsschöffen und Schultheiße. Von Beruf sind es durchweg Bauern.”
Hans Heinrich Knerr:
Ein Schweizer Einwanderer, der 1656 in Venckhofen im Bernerland geborene Hans Heinrich Knerr (seine Familie war 1657 in Winzeln seßhaft geworden), heiratete 1682 die Tochter des Schultheißen Faul in Pirmasens und ließ sich als Ackerer in Gersbach nieder. Sein Sohn Jacob blieb als Leinenweber und Wirt in Gersbach. Dessen jüngerer Bruder Johann Eberhard, ebenfalls Leinenweber, war Gerichtsschöffe und Schultheiß in Donsieders, wo er die Stammlinie Knerr begründete. Der jüngere Bruder des Hans Heinrich Knerr, ebenfalls noch in der Schweiz geboren “ging am 15. August 1719 eine zweite Ehe ein, mit der Witwe des verstorbenen Schuldieners Johann Gubleth in Gersbach. Gerade diese Kirchenbucheintragung zeigt, wie alt in Gersbach das Schulwesen ist”.
Faulen 1626 – Faul 1641:
In einem Amtsinventar über “das Gräfliche Schloß und das Haus zu Lemberg” aus dem Jahr 1626 wird ein “Steffen Faulen, Bürger zu Gersbach” als Schöffe genannt. Im Kirchenbuch erscheint ein Hans Jacob Faul, der vor 1641 heiratete und Müller in Gersbach und Simten gewesen ist. Seine drei Kinder werden 1641, 1643 und 1648 in Gersbach geboren . Der jüngste Sohn wird Bäcker und wohnt in Pirmasens. Es ist anzunehmen, daß Hans Jacob Faul als Müller in der Eichelsbacher Mühle seßhaft war, obwohl im Jahr 1635 in einer Vermögensaufstellung des Amtes Lemberg vermerkt wird: “Nichts. Mühlen zu Riedelberg, Eichelberg und Simpten verbrannt.”
Daniel Schweitzer:
Die älteste Eintragung im Kirchenbuch dürfte die von Daniel Schweitzer sein, “in Gersbach gestorben und beerdigt im Jahre 1644”. Weitere Angaben fehlen. Ihm folgt im Register ein Peter Schweitzer, Hofmann aus Mehlingen, der vor 1721 verstorben ist. Seine Tochter Kathrin “fiel am 22. Februar 1722 vom Heustock, war schwanger und hatte eine Frühgeburt, dabei starb sie”. Ihr Bruder Balthasar Schweitzer heiratete 1721 Maria Magdalena Stegner. Sie hatten zehn Kinder, davon sechs Buben.
Diebold Fuhrmann:
Schließlich heiratete ein Jacob Schweitzer, Küfer in Gersbach, die Tochter des Kirchenzensors in Gersbach, Hans Jacob Diebold Fuhrmann. Diebolds zweitgeborener Sohn, Hans Jacob, kam am 29. Mai 1729 ums Leben, “als er mit seinem Lehrherrn, dem Küfer Georg Gerhard (aus Winzeln), morgens früh verbotenerweise auf das Wildschweinschießen ausgegangen, wurde er auf der Stelle erschossen, nach Pirmasens gebracht und dort am 30. Mai 1729 begraben”.
Johann Nicolaus Weber:
Der Schuhmacher Nicolaus Weber, geboren 1636, wurde nach dem 30jährigen Krieg in Gersbach ansässig. Er kam mit seiner Frau Anna Appolonia, geboren 1635, aus Mauschbach, Zweibrücker Jurisdiktion. Das Ehepaar Weber hatte vier Söhne.
Der 1669 geborene Johann Jacob “wird Zöllner und Gastgeber zur Herberge Lemberg”.
In Gersbach verblieb der 1670 geborene Johann Kasper, dessen erste Ehefrau Anna Stegner im Alter von 22 Jahren im Kindbett verstarb (1695). Die zweite Frau, Anna Barbara Knerr, geborene Faul, starb im März 1712. Ihre Tochter Eva heiratete Johann Jacob Ziliox aus Pirmasens.
Die dritte Ehefrau von Johann Kasper Weber, Anna Ottilia Kreß, verstarb im März 1717: “Sie hatte acht Tage zuvor ein Knäblein geboren”. Die 1714 geborene Tochter Maria Katharine heiratete den “Grenadier und Tagelöhner” Georg Nicolaus Hoch aus Winzeln, der “ins Neuland (Ungarn)” ging. Sie starb wie ihre Mutter, “nachdem sie acht Tage zuvor mit großen Schmerzen ein Kind geboren” (1737).
Aus der vierten Ehe des Johann Kasper Weber mit Anna Gertrud Gläß, geboren 1692 in Winzeln, entsprangen neun Kinder, davon sechs Knaben. Sie erscheinen allesamt im Kirchen- und Sippenbuch nicht mehr.
Nach dem Tod seiner vierten Ehefrau heiratete Johann Kasper Weber im Juni 1744 Anna Maria, Witwe von H. Hrch. Huben vom Ransbrunnerhof. Johann Kasper Weber starb 1747 im 76. Lebensjahr, seine fünfte Ehefrau, die wie alle anderen mit dem Vornamen Anna gerufen wurde, starb 1747 mit 60 Jahren.
Der dritte Sohn des Johann Nicolaus Weber, Johannes, geboren 1679 in Dellfeld, wurde “Kühhirt in Gersbach”. Er heiratete “vor 1695” Anna Elisabeth. Von neun Kindern, der erste Sohn Johannes wird 1692, der zweite 1695 geboren, sind fünf Knaben. Der viertgeborene Johann Georg starb 1712 im 11. Lebensjahr “durch einen Unfall auf der Nachtweide”.
Johannes Weber geht am 16. März 1734 eine zweite Ehe ein, mit Anna Katharina Karb, geboren 1683, Witwe von Johann Michael Staller. Er stirbt am 25. Februar 1752 sechs Tage nach seiner Ehefrau.
Von seine Söhnen aus der ersten Ehe waren zwei in Gersbach geblieben: Paul, mit Anna Katharina Steiner verheiratet, wohnte mit seiner Familie – vier Kinder – in Pirmasens. Johann Heinrich, geboren 1692, heiratet am 16. Mai 1719 Anna Dorethea Holtz aus Hornbach. Er stirbt, erst 29 Jahre alt, am 20. Dezember 1721. Seine Söhne Johannes waren am 24. Juni 1720 und Johann Diebold am 10. November 1721 in Gersbach geboren worden.
Johann Peter Weber, geboren am 17. Februar 1710, verheiratete sich am 26. Januar 1733 mit der Tochter des Leinenwebers und Wirtes Johann Jacob Knerr, Juliana Marie. Der Ehe entsprangen neun Kinder, davon sieben Knaben. Sie webten das weitgespannte Netz der Gersbacher Weber-Sippe, die mit dem Schuhmacher Johann Nicolaus Weber begann, der um 1660 von Mauschbach nach Gersbach übersiedelte. Er verbrachte, als seine Frau im Januar 1708 verstorben war, seinen Lebensabend bei seinem Sohn Johann Jacob in Lemberg, wo er am 12. März 1712 im 76. Lebensjahr starb.
Nikolaus Ziliox:
Nikolaus Ziliox, der die Wirren des 30jährigen Krieges überlebte, ist der Ahnherr aller heute noch lebenden Mitgliedern dieser Familie in und um Pirmasens. “Im Jahre 1661 lebt Nikolaus Ziliox noch, er war hochbetagt und wird als Gemeinsmann im Schatzungsregister von Pirmasens genannt”. Ob Nikolaus Ziliox identisch ist mit dem im Lemberger Amtsinventar genannten Schöffen Zyliox Hungken oder einem seiner Nachfahren, ist nicht bekannt. Der erste Gersbacher Ziliox, ein Sproß der vierten Generation, kam durch seine Heirat im Jahre 1715 mit Maria Margarete Tritthard nach Gersbach. Johann Peter Ziliox wurde herrschaftlicher Schultheiß in Gersbach, war Schwager des zuvor genannten Diebold Fuhrmann und Vater von acht Kindern.
Berufe im Sippenbuch
Die im Sippenbuch genannten Berufe:
Wundarzt – Johann Jakob Bayer, katholisch, um 1720, Schäfer dreimal, Hirth fünfmal, Kuhhirth sechsmal, Schweinehirth viermal, Feldschütz viermal, Wiesenknecht einmal, Zimmermann dreimal, Küfer zweimal, Leinenweber viermal, Weber einmal, Pottaschbrenner einmal, Wagner zweimal, Hosenstricker einmal, Wirt einmal, Gerichtsschöffe einmal, Kirchenzensor einmal, Kirchenältester einmal.
“Gräntzbegehung 1657”
Graf Friedrich Casimir (1641 bis 1685) brachte nicht nur die Verwaltung und – soweit möglich – die Finanzen seiner Grafschaft Hanau-Lichtenberg in Ordnung, er wollte auch die Grenzen seines Herrschaftsbereich “abgesteint” wissen. So erließ er im Jahr 1651 eine Verordnung “mit der Maasgabe dass alle Bann- oder Scheydt Steyn, welche etwan bey diesen Kriegen oder Länge der Zeyt abkommen, wiederumbegesetzt, und alljährlich durch einen ordentlichen Umgang ersucht und aufrecht erhalten werden”: So erfolgte im April 1657 eine Begehung der Grenzen des Amtes Lemberg. Nach dem “Extract auss dem Gräntzbegehungs protocoll” wurde die Gersbacher Gemarkungsgrenze, die zugleich Herrschaftsgrenze gegenüber Pfalz-Zweibrücken gewesen ist, am 9. und 10. April begangen.
Vom Pirminstein durch den Pittsitters suchten die Grenzgänger nach sieben im Jahr 1623 gesetzten Steinen. Der siebte am Wagsberg weist auf die Bach (Felsalb) “und den Wag (Weiher unterhalb der schon 1547 erwähnten, jetzt sogenannten “Papier Mühl”)… Geht man von dannen die Bach hinauf bis an den Schwartzenstein…, welcher dreyecket, steht daran zur Rechten die Jahreszahl 1623, grad für sich HANAU, und zur Linken, doch etwas schregs gegen den Berg hinauf PFALTZ… Geht man wieder zur Lincken im Thal nach der Windtsperger Klincke (1500: Esels Pfadt, jetzt Esels Dell) zu, so eine gute Viertelstund Weegs, kommen (wir) auf zwey liederliche ungesetzte fast kugeliche Stein; also dass man vor nöthig erachtet… zur Verhütung mehrern Streits, zwey neue Stein rechtskünftig zu setzten.”
“Den 10. April 1657: Von das zeucht es sich an ein Musquetenschuss im Wald, der Renspronn oder Windtsperger Wald genannd, und unten hinaus bis nechst in den anderen Wald. Von dar geht der Scheydt in diesem Wald (1500: Wespen Hecke) an einen Pfuhl hin, …bis vor den Wald hinaus, alwo wieder ein dicker Marckstein, auf anderthalben Schuh hoch, am Geroldz Eck (1500: Faut Gerhards Hecke) stehet, gränzt daran zur Lincken Windtsperg, so pfälzisch, und zur Rechten Pirmasenser Pfadt. Vor der grad fürbass zur Lincken hin bis an die Beltzmühl, so noch pfälzisch; und zur Rechten dieser Mühle über den Beltzwag hinüber…”
Gersbach an der schwedischen Grenze
Die Grenze zwischen Hanau-Lichtenberg und dem Herzogtum Zweibrücken, letztmals abgesteint im Jahr 1759, was eine Reihe noch erhaltener Grenzsteine bezeugt, folgte der Spur der alten Waldmarkgrenze aus dem achten Jahrhundert. Gersbach war und blieb das Dorf an der Grenze, für einige Jahrzehnte sogar an der Grenze zu Schweden. Es war die Zeit, als Karl XII., König von Schweden (1697 bis 1718), Pfalzgraf und Herzog von Zweibrücken war und seine pfälzischen Besitzungen von einem königlich schwedischen Gouverneur verwalten ließ.
Mit den Herrschaften erlosch in den Revolutionsjahren auch die Bedeutung ihrer Grenzen. Die ehemalige Herrschaftsgrenze, zuletzt zwischen Hessen-Darmstadt und Zweibrücken, trennte künftig nur noch die Gemeinde Gersbach von Windsberg und Hengsberg. So blieb es bis zur Eingemeindung von Gersbach und Windsberg im Jahr 1972, Hengsberg war schon drei Jahre zuvor zur Stadt Pirmasens gekommen.
Gersbach im Lemberger Forst
Gersbach war zu jener Zeit im Lemberger Forst gelegen, der in seiner Weiträumigkeit der Ausdehnung der alten Waldmark entsprach. In dem nordwestlichen Teil nutzten die Bauern der zum ehemaligen Kirchenspiel gehörenden Dörfer den ihnen von alters her zugesprochenen “Weidestrich” im sogenannten Dechtumswald. Darüber lesen wir in der Waldvisite des Lemberger Forstes aus dem Jahr 1688:
“In dieser Forstbeschreibung haben die Underthanen ihren “Dechtem Walt”, nemlich diese Dorffschafften, als Lemberg, Pirmasens, Wintzlen, die Egelsbacher Mil, Gerschbach und Ferbach, undt sein das die Berge des Dechtem Waltes: Das Gehen, der Hohricht Walt, Breit Siders, der Sumerwald bis zum Roden Sol, das Hasen Eck, der Lemberger Doldogels Munder (?), das Mort Loch, der Sinnelsberg, der Dirkenfels, der Reidelschachen, die Grumsteich, die Schwan…”
Dem Pirmasenser Weistum vom Jahr 1691 entnehmen wir: “Den Weydestrich betreffend, haben die Pirmasenser das Recht durch die Wintzler Erlen hinüber in den Wintzler Bann, dem Weg nach bis zu dem grossen Ohrener Bronnen, umb alda ihr Herd Viehe zu tränkhen, zu fahren. Hingegen haben die Wintzler gleiches Recht, in den Pirmasenser Bann dem Weg nach bis uff den Wasserfelsen, alda zu tränkhen, zu fahren, doch beederseiths ohne Schaden der Früchten. Den Eyschberg belangend, welcher im Gerspacher Bann lieget, hat die Gemeindt Pirmasens, wie andere Gemeindten, als Wintzlen und Verbach, ihr Recht mit ihrem Viehe undt Ackerbau zu fahren…” “Wie wir daraus zu ersehen vermögen, kam der Weidewirtschaft in ihren verschiedenen Formen, nämlich der “Schmalzweide”, das ist die Eichel- und Buchenmast der Schweine, sowie der “Rauhweide” damals noch besondere Bedeutung zu.” (nach: “Der Westrich” von Michael Lothar Cunz).
In einem Protokoll über einen Umgang des Pirmasenser Dechtums im Jahr 1765 wird vermerkt: “Ingleichen befinden sich in denen Winzler und Gerspacher Bännen weitere Dechthums Districte, nehmlich der Gehenner Wald, Hohrech Wald und Breit Sieders, wie auch Esels Kopf nebst dem Gerhards Eck, wobei zu wissen, dass die Hengstberger Gemeinde, pfalz-zweibrückischer Jurisdiction, in dem Hohrech Wald und Breit Sieders bis an den Hohlengraben den Dechthum mit zu geniessen berechtigt ist.”
Forstfrevel im Quart Gersbach
Neben der Weidewirtschaft hatte der Wald zu jener Zeit noch eine Reihe anderer Funktionen zu erfüllen. Die widerrechtlichen Rodungen der Köhler und Pottaschbrenner fügte den Wäldern oft große Schäden zu. So beklagten sich die Dorfgemeinschaften “als nemlich Pirmasens, Wintzlen, Gerschbach und Fehrbach”, daß man ihnen “die besten Mastbäume vor Potasch umhauete”. Nach einer Untersuchung der herrschaftlichen Förster im gesamten Amt Lemberg ergaben sich mehrere Freveltaten, auch im “Quart Gerschbach”, die letztlich zu einer strengen Verordnung und Bestrafung durch den Landesfürsten führte.
Absatz eins der Verordnung aus dem Jahre 1726 lautet wie folgt:
“Denen Edel-Vest auch Ehren-Vest und Hoch-Gelährten, Unseren Lieben Getreuen zu Unserer Hanau Lichtenbergischen Regierung verordneten Räthen und Befehlshabern von Buchsweiler. Johann Reinhard, Graff zu Hanau, Rhieneck und Zweybrucken, Herr zu Müntzenberg, Lichtenberg und Ochsenstein, Erb-Marschall und Obervogt von Strassburg. Unseren gnädigsten Gruss zuvor.
Edel-Vest, auch Ehren-Vest und Hochgelährte Liebe Getreue!
Uns ist gehorsam referiret, was dieselben wegen des von den Potasch Brennern Hannss Caspar Weber und consorten in denen Waldungen unseres Ambts Lemberg verursachten Schadens unter dem 18. Octobris vorigen Jahrs vor einen unterthänigen Bericht und ohnmaassgebliche Bedencken erstattet haben. Obs sich nun wohl allerdings gebühret hätte, dass bemelter Schaden durch einen oder mehr Forst-Verständige ordentlich taxiret worden wäre, so lassen wir es jedoch um Vermeidung mehrerer Weitläuffigkeit und darauss nothwendig entstehender grösserer Kosten, bey der bereits geschehenen Untersuchung bewenden und haben dahero derselben Gutachten bewandten Umständen nach der Gestalt approbiret, dass 1. Hannss Caspar Weber und Michel Gast, beyde von Gerspach, welche in dem Gerspacher Forst gearbeitet, vor den darinnen causirten Schaden 100 Gulden, wegen abgehauener grüner Bäume aber, und weilen sie dieselben vorher nicht zeichnen lassen, zusammen 60 Gulden zur Straffe, und 2. Johann Jost Wahl, welcher im Breitsieders, Gerspacher Banns, und Haaricht, Wintzler Banns, gearbeitet, gleichfalls vor die Schadens Ersetzung 30 Gulden, zur Straffe aber 20 Gulden erlegen…”
Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts – Jahre des Hungers und der Not
Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts war keine friedvolle Zeit: Es waren die Jahre des Hungers und der Not. 1666 wütete die Pest im Land. Auch davon gibt das Sippenbuch Zeugnis: “Heinrich Mayer, Schmied in Pirmasens, gest. 29. November 1666 – wohl an einer Seuche, an der als erste seine Frau, Anna Katharina Stegner, starb. Sie hat den Anfang zur Contagnion – Ansteckung einer Seuche – gemacht, was man aber nicht wusste (geb. 7. Januar 1644, gest. 15. November 1666).”
Nach dem Ende des 30jährigen Krieges begannen die Feindseligkeiten der Franzosen. Die Soldateska zog von Lothringen herbei, raubend und plündernd. Mehr als drei Jahrzehnte beunruhigten sie mit ihren Kriegszügen das Land. 1665 schleppten die französischen Soldaten die gesamte Ernte des Amtes Lemberg weg. 1677 brannten sie Pirmasens nieder. “Gänzlich verbrannt waren auch Waldfischbach, Höheischweiler, Nünschweiler und Windsberg.” Im Jahr 1689 wurden Dorf und Burg Lemberg zerstört. “Erst 1699 räumen die Franzosen nach dem Frieden von Rijsijk das gänzlich ausgesogene Gebiet”: Über das Schicksal von Gersbach in dieser Zeit ist nichts bekannt.
Gersbach in der hanau-lichtenbergischen Zeit
Graf Johann Reinhard III., der Großvater des späteren Landgrafen Ludwig IX., regierte von 1685 bis 1736 die Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Seine Jagdleidenschaft führte ihn des öfteren in den wildreichen Forst des Lemberger Amtes. Mit einer Jagdgesellschaft kam der erst 15jährige Ludwig im Jahr 1735 erstmals nach Pirmasens, um in dem von seinem Großvater in den Jahren 1720 bis 1725 errichteten Jagdschloß zu nächtigen. Ludwig und sein Bruder standen in der Obhut ihres Oheims, in der Residenz Buchsweiler, wo sie nach dem Tod ihrer Mutter eine höfische Erziehung erhielten. Sie besuchten auch die Universität Straßburg und unternahmen mehrere Bildungsreisen nach Frankreich.
Reinhard III., der letzte im Mannesstamm der Hanau-Lichtenberger, verfügte rechtzeitig vor seinem Ableben 1736, daß nicht der Ehemann seiner Tochter, Christine Charlotte, Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt, die Erbfolge antreten solle, sondern deren erstgeborener Sohn Ludwig. Bis zu dessen Volljährigkeit im Jahr 1741 bestellte die Regierung in Buchsweiler einen Regentschaftsrat, der die Grafschaft verwaltete. Erbprinz Ludwig heiratete am 12. August 1741 die 20jährige Prinzessin Karoline von Zweibrücken-Birkenfeld.
Der junge Fürst hatte seine Freude am Soldatenspiel. Schon vor seiner Hochzeit hatte er im elsässischen Bärenthal eine 37 Mann starke Leibgrenadierkompanie gebildet, mit der er nach Pirmasens zog und dort eine Garnison gründete. Er selbst trat 1742 in französische Dienste und 1743 in den Dienst des von ihm verehrten “Alten Fritz”. 1764 nahm er seinen Abschied vom Preußischen Dienst: “Seit Jahren kränklich, jedoch kein großer Kriegsheld.”
Schon bereits 1757 war Ludwig nach Pirmasens zurückgekehrt, um – bis auf wenige Monate Aufenthalt in Darmstadt und Wien – in seinem Garnisonsort zu bleiben. Die Garnison zählte 143 Mann. Ludwig verblieb auch in Pirmasens, als 1768 sein Vater starb und er als Landgraf Ludwig IX. nun auch Hessen-Darmstadt regierte. Seine Frau Karoline, nach Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich dem Großen “eine der geistreichsten Frauen der damaligen Zeit”, residierte in den Hofkreisen in Darmstadt. Ihr oblag auch die Erziehung ihrer sieben Kinder.
Gersbacher Grenadiere in der Garnison des Landgrafen
Ludwig IX. erweiterte die Garnison durch das ständige Hinzufügen von Truppenteilen. Er rekrutierte den Hauptteil seiner Mannschaft aus den im Reichsland liegenden Gebieten seiner Herrschaft – das Elsaß stand unter französischer Souveränität. Alle jungen Männer von zwölf bis 26 Jahren waren gestellungspflichtig. Sechs Jahre dauerte die Wehrpflicht. Besonderes Augenmerk hatten die Aushebungskommissionen auf die “langbeinigen Bauernsöhne”, zu denen nach den Stammrollen des Landgrafen auch 31 Gersbacher, die mehr oder weniger freiwillig Grenadiere gewesen sind, zählten.
Die Gersbacher Grenadiere:
Vor- und Zuname Alter b. Eintritt Größe Dienstzeit Regiment
Hrch. Diehm 20 4 Z 1782-90 RL
Gottfr. Fuhrmann 22 5 Z 1782-90 RL
Georg Hatzfeld 17 2 Z 1783-90 RL
Hrch. Hatzfeld 19 2 Z 1784-87 RL
Andreas Hauter 36 5/7/2 1763-68 (+7) RE
Peter Hauter 36 7 1/4 Z 1763-72 RE
Hrch. Hügel 19 7 1/4 Z 1779-81 RE
Mich. Hummel 23 5 3/4 1788 RE
Mich. Hummel 19 6 1/4 Z 1789-90 RE
Georg Joas 21 5/5/3 bis 1746 RL
Jakob Joas 19 9 1/4 Z 1779-90 RL
Hrch. Knörr 17 3 Z 1778-90 RL
Jak. Knörr 25 5/6/0 bis 1745 RL
Jak. Knörr jr. 18 6 Z 1766-90 RE
Konrad Korb 18 4 1/4 Z 1786-88 RL
Andreas Cunz 24 5/5/2 Z Ffl. 1752 RL
Jak. Meerwein 19 5 1/2 Z 1778-90 RL
Adam Stegner 28 7 1/4 Z 1760-71 RE
Adam Stegner 22 8 1/2 Z 1765-77 RE
Daniel Stegner 23 5/4/0 Ffl. 1751 RL
Georg Stegner 39 7 Z gest. 1784 RE
Gottf. Stegner 21 9 Z 1770-90 RE
Jak. Stegner 18 6 1/2 Z 1784/86/90 RE
Daniel Schweizer 24 6 1/2 Z 1762-73 RE
Hrch. Schweizer 20 5 3/4 Z 1789-90 RL
Adam Weber 17 5/2/0 bis 1746 RL
Christ. Weber 18 5 Z 1776-77 RE
Georg Weber 18 6 1/4 Z 1772-90 RE
Jakob Weber 20 5 3/4 Z 1762-90 RE
Martin Weber 24 5/2/3 Z bis 1747 RL
Werner Weber 27 5/5/1 bis 1748 RL
Nikolaus Wingert 21 6 Z 1766-88 RE
RE = Regiment “Erbprinz” / RL = Regiment “Landgraf” Ffl. = Fahnenflucht
Größe: 1 Fuß = 0,32 Meter = 12 Zoll
Älteres Maß: Bsp. 5/11/3 = 5 F 11 Z = 1,93 Meter
Sonst: Grundmaß 5 F = 1,62 Meter + Z, Bsp. 6 Z = 1,62 Meter, 16 Zentimeter = Körpergröße 1,78 Meter
Landgraf Ludwig IX. läßt in seiner Residenz- und Garnisonsstadt ein Exerzierhaus, Kasernen, Wachthäuser, Offiziers- und Grenadierhäuser, aber auch Kirchen, Schulen, ein Rathaus und eine Münz errichten. 1763, am Namenstag des Landgrafen und nach Fertigstellung der die Garnison umschließenden Mauer, wird Pirmasens zur Stadt erhoben, die jedoch erst 1769 einige Privilegien und ein Siegel erhält.
Ludwig IX. starb am 6. April 1790. Zu diesem Zeitpunkt zählt Pirmasens rund 9.000 Einwohner, wovon 2.400 dem Militär angehörten. Da 65 Prozent der Soldaten verheiratet gewesen sind, bestand die Soldatenkolonie, einschließlich Frauen, Kindern und Gesinde aus etwa 6.000 Menschen. Ludwig X. verlegte die Residenz nach Darmstadt und löste die Garnison in Pirmasens auf. Ende 1790 lebten noch rund 5.000 MenEin Schweizer Einwanderer, der 1656 in Venckhofen im Bernerland geborene Hans Heinrich Knerr (seine Familie war 1657 in Winzeln seßhaft geworden), heiratete 1682 die Tochter des Schultheißen Faul in Pirmasens und ließ sich als Ackerer in Gersbach nieder. Sein Sohn Jacob blieb als Leinenweber und Wirt in Gersbach. Dessen jüngerer Bruder Johann Eberhard, ebenfalls Leinenweber, war Gerichtsschöffe und Schultheiß in Donsieders, wo er die Stammlinie Knerr begründete. Der jüngere Bruder des Hans Heinrich Knerr, ebenfalls noch in der Schweiz geboren “ging am 15. August 1719 eine zweite Ehe ein, mit der Witwe des verstorbenen Schuldieners Johann Gubleth in Gersbach. Gerade diese Kirchenbucheintragung zeigt, wie alt in Gersbac pp/ph das Schulwesen /pist”.schen in Pirmasens, drei Jahre später noch rund 3.000.
Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt und ihrem Niedergang war das Schicksal vieler Bürger der umliegenden Dörfer, auch in Gersbach, verbunden. Aus den Diensten des Landgrafen entlassen, lebten in Gersbach auch drei Invalide, Nikolaus Hartmann, Christian Nicolai und Johann Bernhardt, die einen Jahressold von 18 Gulden und 15 Kreutzern erhielten.
Gersbach in der Franzosenzeit
Die Umwälzungen im nahen Frankreich und die drohenden kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Soldaten der französischen Revolution beschleunigten zweif/pAdam Stegner 22 8 1/2 Z 1765-77 REellos die Rückführung der landgräflichen Regierung nach Darmstadt und die Garnisonsauflösung in Pirmasens. Bereits im Sommer 1789 war es in den elsässischen Besitzungen zu Unruhen gekommen, ebenso in den überrheinischen Landesteilen Lichtenau und Willstätt.
Der französischen Begeisterung vorausgegangen war der im patriotischen Taumel erfolgte Beschluss der französischen Nationalversammlung, alle Privilegien und das Lehensrecht abzuschaffen. Als der greise Ludwig IX. davon erfuhr, rief er aus: “Die Franzosen haben sich da eine Suppe eingebrockt, an der sie lange werden zu kauen haben und ich nicht mitessen möchte.”
Die bittere Suppe auszulöffeln hatten aber seine zurückgebliebenen Landeskinder, denn nach dem Abzug der letzten Grenadiere im Juli 1792 und der kurz zuvor erfolgten Kriegserklärung Frankreichs an Kaiser und Reich begannen auch im Amt Lemberg die Unruhen. Zunächst in Bärenthal und Obersteinbach, dann schlossen sich die ehemals zu Bitsch gehörenden Dörfer der “Hackmesserseite” der aufrührerischen Bewegung an. Auf Bitten der Bevölkerung wurden diese zusammen mit Simten und Erlenbrunn bereits Anfang 1793 mit Frankreich vereinigt.
Im Februar 1793 errichteten 400 Aufständige in Pirmasens einen Freiheitsbaum. Im März pflanzten die Windsberger ihren Freiheitsbaum und nach einigem Zögern auch die Winzler Bevölkerung. Die Errichtung eines Freiheitsbaumes verweigerten die Bewohner der Lemberger Annexen Ruhbank, Salzwoog und Kettrichhof. Im Sommer des gleichen Jahres begannen auch die kriegerischen Auseinandersetzungen. Französische, kaiserliche und preußische Verbände lösten in der Region im Wechselspiel der Kräfte einander ab.
“In dieser unsicheren Zeit beobachteten jede Nacht zwei Mann auf dem Kirchturm der Johanneskirche die Stadt, bereit, beim geringsten Lärm Sturm zu läuten.” An einem Sonntag im Juli kamen die Franzosen mit Kavallerie und Infanterie in die treugebliebenen Gemeinden Fehrbach, Winzeln, Höheinöd und Gersbach, “zogen das Vieh aus den Ställen und plünderten die Häuser… In Riedelberg lagen 700 Franzosen mehrere Wochen lang und sogen es völlig aus.” (aus: “200 Jahre Pirmasens”).
Der Pfälzerwald war Kriegsschauplatz geworden: Schließlich tobte am 14. September 1793 die Schlacht bei Pirmasens. An der Banngrenze von Gersbach, drunten im Blümelstal, fiel die Entscheidung. Die Franzosen von der Husterhöh und vom Schachen zurückgedrängt, flohen, von den preußischen Truppen verfolgt, in Richtung Hornbach, wobei sie schwere Verluste an Menschen und Material erlitten.
Gersbach wird französisch
Bis zum 22. September 1793 blieben die Preußen in Pirmasens, um dann in Richtung Weißenburg abzuziehen. Zwei Tage später kamen die Franzosen und besetzten die Stadt und das Umland. Eine lange Zeit der Requisition, von Raub und Plünderung, wollte kein Ende nehmen. Die Kommissionäre und ihre ständig wiederkehrenden Ausleerungskommissionen wurden gefürchtet wie das Feuer und gehasst wie die Pest.
Nach dem Friedensschluss von Preußen und Franzosen 1795 war unsere Region endgültig französisch geworden, nach dem Frieden mit Österreich 1797 sogar die ganze Pfalz. Die Neuorganisation der Verwaltung nach französischem Recht lief nur zögernd an. Auch die Gersbacher mussten mit dem neuen französisch-republikanischen Kalender leben. Das Jahr 1 der ungeteilten Frankenrepublik begann am 22. September 1793. Es war in zwölf Dekaden zu je 30 Tagen aufgeteilt. Sonntage und kirchliche Feiertage wurden gestrichen. Die Gersbacher trugen ihre blau-weiß-rote Kokarte in der Tasche oder, wie 1792 gesetzlich verordnet, am Rockaufschlag.
Anstelle von Zehnten, Abgaben und Frondiensten traten nach französischem Recht die Steuern, wobei selbst “Fenster- und Türensteuern” zu entrichten waren. Auch das bürgerliche Recht und das Gerichtswesen wurde neu geordnet. Die Wälder und Güter der ehemaligen Herrschaft und der Kirchen wurden enteignet und an zahlungsfähige Bürger versteigert. Die Pfarrer wurden verfolgt, Gottesdienste verboten, selbst Hochzeiten und Beerdigungen erfolgten ohne religiöses Zeremoniell. Die jungen Männer hatten beim französischen Staat Kriegsdienst zu leisten.
Obwohl erst im Jahr 1801 die Vereinbarungen von 1795 und 1797 völkerrechtlich bestätigt wurden, hatten die Franzosen bereits im Januar 1798 eine Territorialeinteilung der Rheinpfalz vorgenommen, bei der der Kanton Pirmasens mit “Görtsbach” zum Département Donnersberg gehörte. Gersbach und Winzeln wurden der “Mairie” Vinningen zugeordnet. Die Amtssprache war französisch.
Gersbach wird bayerisch
Das revolutionäre Frankreich mündete bald in die Napoleonische Herrschaft, der rasch – fast – ganz Europa untergeben war. Aber auch ihr war nur eine kurze Dauer beschieden. Napoleons Sturz und die Befreiung aus der französischen Herrschaft wurde in der Stadt Pirmasens und den umliegenden Ortschaften schon im Mai 1814 mit einem Siegesfest gefeiert. Der zweite Friedensvertrag vom 20. November 1815 verwies Frankreich in die Grenzen von 1790. Die Pfalz wurde, nachdem mit Österreich eine Einigung erzielt werden konnte, dem Königreich Bayern zuerkannt.
Die Pfälzer beobachteten die politischen Ereignisse mit Vorbehalt, fürchteten sie doch die Rückführung in die Untertänigkeit der Monarchie und zugleich die Schließung der Grenze zu Frankreich, wohin sich in den vergangenen 15 Jahren starke wirtschaftliche Beziehungen entwickelt hatten. Aber auch in München misstrauten viele ihren rheinbayerischen Landeskindern, die den freiheitlich-demokratischen Geist der Revolution in ihren Herzen trugen. So kam es, wie es kommen musste, Wirtschaft und Handel lagen darnieder, die Not regierte das Land, ein fruchtbarer Nährboden war für die revolutionäre Bewegung, die schon im Jahr 1819 einsetzte und mit dem Hambacher Fest 1832 ihren ersten Höhepunkt erreichte, geschaffen. Wieder trugen die Menschen Kokarten, diesmal in den Farben schwarz-rot-gold und freiwillig. Wieder wurden, sehr zum Missfallen der Regierung in München, Freiheitsbäume gepflanzt.
Die Gersbacher dürften an der Freiheitsbewegung 1832 nicht beteiligt gewesen sein, denn in einem “Schwarzen Buche”, das veröffentlicht wurde, ist kein Gersbacher genannt. Anders scheint es mit der revolutionären Bewegung der Jahre 1848/49 gewesen zu sein, die die Loslösung der Pfalz von Bayern und die Bildung einer demokratischen Republik zum Ziel hatte.
Notar Ludwig Diehl, der Führer der republikanischen Bewegung in Pirmasens und dem Umland, gründete einen “Volksverein”, dem mehrere hundert Mitglieder aus den Reihen der “Exzentrischen und Unzufriedenen” beitraten. Diehls Mitstreiter, der Kaufmann Michael Baumann, “gab am 12. Juni Anweisung an die Schmiede und Schlosser, Sensen für die Freischärler herzustellen”. Die Mitglieder der gebildeten Bürgerwehr “versammelten sich in der Stadt und in den Dörfern zu kriegerischen Übungen und hatten in Scheunen Flinten, Dreschflegel und Sensen zum Losschlagen gesammelt.”
Daß dies auch in Gersbach so gewesen ist, bezeugt die noch heute im “Trampeleck” – am Westring – stehende “Exerzierscheier”, auf die August Rothaar in seinem folgenden Beitrag über die Auswanderer einen Hinweis gibt.
Am 16. Juni 1849 zogen auch die Freischärler aus der Umgebung von Pirmasens gegen die vom bayerischen König beorderten Preußen: In den Wäldern bei Rinnthal kam es zum Kampf. “Aber was half alle Begeisterung, alle Tapferkeit, zu ungleich waren die Kräfte verteilt.” Der Zusammenbruch der Aufständischen war nicht aufzuhalten, für die Anführer blieb nur der Weg in die Emigration übrig. Viele tausend Auswanderer, die sich mit den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen in Deutschland nicht abfinden konnten, folgten ihnen “über den großen Teich” in das Land der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten, nach Amerika.
Kapitel 02d
Gersbacher Auswanderer
Von Adolf Rothaar
1986 trafen sich in Clearfield Co, Pennsylvania, die Nachkommen vieler Gersbacher Auswanderer, die sich dort in den Jahren zwischen 1830 und 1870 angesiedelt hatten. Zu jener Zeit gab es im alten Gersbach, am jetzigen Westring, auf dem Matzenberg, am Flössel und Umgebung fast kein Haus ohne Auswanderer. Mißernten, nasse Jahre, Lebensmittelverteuerung und auch politische Gründe hatten sie dazu bewogen, ihre Heimat zu verlassen. Im Westring steht beim Anwesen Ziliox noch eine alte Scheune aus dieser Zeit, ein Fachwerkbau. Sie wird von alten Gersbachern Exerzierscheune genannt, weil sich dort junge Männer während der Freiheitsbewegung auf den Freiheitskampf vorbereitet hatten. Vielleicht waren einige von ihnen dadurch in Schwierigkeiten geraten und hatten auch aus diesem Grund die Heimat verlassen.
Das Auswandern wurde durch eine “Spezialagentur” in Pirmasens, die Auswanderungspapiere besorgte und die Schiffe für die Überfahrt vermittelte, erleichtert. Auch in Bitsch gab es eine solche Agentur. Die Schiffahrt dauerte fünf bis sechs Wochen.
In Clearfield siedelten sich damals folgende Familien aus Gersbach an: Christian Haag und seine Frau Katharina Knerr, Johann Friedrich Hatzfeld und seine Frau Catharina Risch, Johann Adam Mörschel mit Frau Margaretha Stegner, Georg Adam Faudie und Frau Katharina Weber, Jakob Heilbrunn und Frau Charlotte (Winzeln), Heinrich Joas und Frau Elisabeth Ziliox, Adam Weber und Frau Margaretha Faudie, Gottfried Weber und Frau Katharina Schmidt, Karl Ziliox und Frau Elisabeth Weber, Johann Georg Weber und Frau Charlotte Ziliox, Gottfried Ziliox und Frau Charlotte Mörschel, Georg Knerr und Frau Louise Weißgerber, Familie Kunz, Christian Hatzfeld und Frau Salomea Zumstein, Adam Weißgerber und Katharina Ammann, Heinrich Mörschel und Margaretha Ziliox, Georg Adam Korb und Kath. Barbara Amann, Familie Georg Wingert. Diese Familien knüpften nun enge Bande: Bei der Ansiedlung, beim Hausbau und beim Roden der Felder half man sich gegenseitig – die Nachbarschaftshilfe war groß.
Kirchenbau der Gersbacher Siedler
Die Gersbacher Siedler bauten im Jahr 1842 eine eigene Kirche zwischen Luthersburgh und Troutville in Clearfield Co. Sie trägt den Namen “Salem Lutheran Church”. Im September 1843 wurde sie eingeweiht. Wenn man in den ersten Kirchenbüchern dieser Kirche blättert, glaubt man, ein Buch einer Gersbacher Kirche vor sich zu haben. Die ersten Einträge sind alle in der alten deutschen Schrift sorgfältig niedergeschrieben. Auf einer Liste ist zu lesen:
Margarethe Scherer geb. 14.10.1842 Gersbach
Katharina Weber 15.04.1831 Pirmasens
Adam Weißgerber 13.02.1830 Gersbach
Margaretha Ziliox 21.03.1836 Gersbach
Friedericke Degener 04.09.1836 Stiebel/Westphalen
Maria Weber 07.1809 Winzeln
Georg Adam Heilbrunn 06.10.1836 Winzeln
Katharina Mörschel 15.11.1826 Gersbach
Georg Weber 12.01.1825 Gersbach
Margaretha Ziliox 23.01.1824 Gersbach
Caroline Hüther 13.06.1830 Wünschberg (=Windsberg)
Christian Hatzfeld 20.08.1829 Gersbach
Georg Jakob Weber 16.11.1832 Gersbach
Joh. Friedrich Oswald 10.07.1824 Sachsen
Georg Jakob Ziliox 31.01.1830 Gersbach
Friedrich Knerr 05.05.1827 Gersbach
Georg Adam Mörschel 23.04.1834 Gersbach
Christian Korb 01.10.1827 Gersbach
Heinrich Hatzfeld 20.05.1835 Gersbach
Adam Knerr 17.03.1827 Bayern
Heinrich Georg Weber 18.05.1830 Gersbach
Heinrich Ziliox 06.03.1829 Gersbach
Georg Hatzfeld 05.04.1841 Pfalz (=Gersbach)
Adam Haag Gersbach
Ich habe den Einwanderungsweg einiger Gersbacher verfolgt und mir von ihrer Siedlungszeit berichten lassen:
Georg Knerr und seine Frau Louise Weißgerber wanderten mit ihren fünf Kindern im Jahr 1831 aus. Sie kamen zunächst nach Philadelphia. Dort kauften sie sich einen Wagen und zwei Pferde und machten sich auf den Weg nach Warren in Pennsylvania. Sie fuhren von Sunburg, Bellefonde nach Clearfield. Während sie dort für eine Essenspause an einem Rastplatz anhielten, unterhielten sie sich mit dem Landlord. Ein Fremder gesellte sich hinzu und erzählte, dass in der Nähe ein Deutscher lebe, der Kunz heiße. Da horchten sie auf, denn sie wussten, dass ein früherer Nachbar mit dem Namen Kunz nach Amerika ausgewandert war. Ihn wollten sie vor ihrer Weiterfahrt nun noch kurz aufsuchen. Groß war die Wiedersehensfreude, als man sich traf: Nachdem sie über alles gesprochen hatten, überredete Kunz sie, doch an diesem Ort zu bleiben. Auf seinen Rat bekamen sie 181 acre (=293 Morgen) Land auf der Seite von Troutville. Es war schweres, unbebautes Holzland. Auf die Familie Knerr (Knörr) wartete viel Arbeit. Zuerst fällten sie die Bäume für ein Holzhaus mit einem zweiseitigen Dach, lediglich der Schornstein wurde mit Steinen gebaut. Sie arbeiteten fleißig, bis sie eine schöne Farm besaßen. Die Frau unterstützte ihren Mann in der Anfangszeit bei allen Arbeiten kräftig. Sie starb am 7. August 1865, Georg Knerr am 23. Oktober 1880 im Alter von 93 Jahren. Sie hinterließen sechs Kinder, von denen eines schon im Amerika geboren war.
Das Lebens des Farmers Heinrich Weber
Heinrich Weber wurde in den Vereinigten Staaten durch seine großen Fähigkeiten und sein fortschrittliches Denken eine große Persönlichkeit. Im “Comemorative Biographical Record” wird folgendes berichtet: Herr Heinrich Weber von Brady township, Clearfield country, war 1830 in Gersbach geboren worden. Als er acht Jahre alt war, brachten ihn seine Eltern Gottfried Weber und Catharina Schmidt auf einem Segelschiff mit in die Neue Welt, nach einer langen mühseligen Fahrt von 42 Tagen. Sie siedelten sich in Clearfield country an. Der Vater kaufte hier 175 acre (= etwa 285 Morgen) wildes, unbebautes Land in Brady township. Nur etwa zehn acre (= 16 Morgen) konnten sofort bepflanzt werden. Die Familie lebte zunächst provisorisch in einem kleinen Holzhaus. Es dauerte bis zum Jahr 1849, bis sie alles unter viel Mühe und Gefahren kultiviert hatte. Später baute sie sich auch ein größeres Haus. 1851 starb die Frau.
Heinrich Weber war das älteste von vier Kindern dieser ehrwürdigen Familie. Seine Schwester Katharina, auch in Gersbach geboren, war in Brady township aufgewachsen und heiratete Friedrich Korb, der ebenfalls dort lebte. Beide waren zunächst auf der Farm der Webers tätig, dann siedelten sie nach Cleveland (Ohio) um, wo sie bis zu ihrem Tod mit ihren vier Kindern lebten. Heinrichs Bruder Gottfried, der in Clearfield geboren wurde, heiratete Margaretha Wingert, deren Eltern ebenfalls aus Gersbach eingewandert waren. Sie lebten in einem Teil des alten Wohnhauses. Ihre Tochter heiratete wiederum einen Jakob Haag, Nachbarssohn der Auswandererfamilie Haag aus Gersbach.
Heinrich Weber besuchte während der Wintermonate gewissenhaft die Lokalschule, in den Sommermonaten arbeitete er fleißig auf der elterlichen Farm bei der Urbarmachung und Verbesserung mit. Auf dieser Fram wirkte er dann später selbst als der Farmer. Im Jahr 1867 baute er eine Scheune, die jetzt noch in Gebrauch ist, im gleichen Jahr errichtete er auch ein schönes geräumiges Wohnhaus für seine Familie.
Überall führte er Verbesserungen ein, so dass heute die Farm eine der schönsten in Brady township ist. Er wirtschaftete stets ordentlich und sparsam. Im Jahre 1851 heiratete er Cath. Ziliox, eine Tochter von Karl Ziliox und Frau Maria Elisabetha Weber, die ebenfalls eine Farmerfamilie in Brady township gewesen sind. Nach einer glücklichen Ehe von mehr als 40 Jahren starb die Ehefrau von Heinrich Weber im jahr 1893. Die neun Kinder des Ehepaares heirateten fast alle Nachfahren anderer Gersbacher Einwanderer.
Heinrich Weber war ein guter Demokrat, der immer hervorragend und aktiv in der Gesellschaft mitarbeitete. Er war für zwei Perioden Schuldirektor. Im christlichen Glauben war er, als Lutheraner, gemeinsam mit seiner Familie mit der Kirche fest verbunden. Er war ein Mann von großer Güte und freundlicher Art. Mit seinem großen Scharfsinn setzte er sich bis zu seinem Tod 1919 immer vorbildlich für die Gemeinschaft ein.
Die Gersbacher Auswanderer in Clearfield blieben durch Nachbarschaft und Heirat immer in enger Verbindung, die selbst bis heute noch andauert, auch wenn viele Familien aus ihrer Nachkommenschaft in anderen US-Bundesstaaten wohnen.
Kapitel 02e
Vom 19. Jahrhundert bis zum Dritten Reich
Von Fritz Burger
“Der Kessel war zu klein”
Die Pirmasenser Schriftstellerin Erneste Fuhrmann-Stone, eine Enkeltochter des Maschinenbauers Jakob Sandt, schreibt in ihrem Buch “Im Spiegel” aus der Zeit der Hungerjahre 1848/49, in der ihr Ururgroßvater Karl Weber einer der wenigen in Gersbach gewesen ist, der sich “über Wasser halten und der sich “Bäckerbrot” kaufen konnte”.
Anders sah es beim Schreiner Peter Schmidt aus. “Die Not saß mit am Tisch. Sie war auch auf dem Acker und im Stall daheim. Mehr als 40 Familien mussten auswandern, aus den übrigen Häusern der eine oder der andere. Es war ein bitteres Wort, als der alte Schreiner Schmidt, … mit den Seinen beim kärglichen Mahl saß und sagen musste: der Kessel ist für uns alle zu klein, zwei von Euch Kindern müssen fort! Nun war es beschlossen. Zwei der Kinder mussten fort, die 18jährige Näherin Luise Schmidt und ihr Bruder Jakob, der auch das Schreinern erlernt hatte…”
Jakob überlebte die Überfahrt nicht. Er ruht im Seemannsgrab. Für Luise hatte das Schicksal eine glückliche Zukunft bestimmt. Sie heiratete einen Farmersohn. Er besaß sieben Farmen, für jedes der Kinder die sie zur Welt brachte eine. Doch nach Gersbach kam sie nie wieder, so sehr sie, ihre Eltern und Geschwister, sich das gewünscht hatten. “Wenn ich an das große Wasser denk und meinen Bruder Jakob, so kann ich den weiten Weg nicht mehr kommen”, schrieb Luise ihrem alten Vater als Trost.
Gersbach – Zahl der Einwohner
1620 zirka 32
1658 zirka 20
1769 170 (M. 37 W. 39 Ki. 82 Ges. 12)
1770 218
1771 150
1773 176
1776 201
1777 169
1779 200
1780 237
1787 217
1802 304 (K. 7 Ref. 41 Luth. 256)
1834 443 (K. 10 Prot. 433)
1849 421
1861 365 (K. 16 Prot. 349)
1899 504
1906 538
1919 668
1933 720
1940 850
1963 1150
1996 zirka 1600
Verschiedene Quellen
Der Ortsname Gersbach im Wandel der Jahrhunderte
1295 Gerlisbach
1348 Gerspach
1390 Gerspercher Gemarkung
1534 Gerstbach
1626 Gerspach
1688 Gerschbach
1726 Gerspach
1798 Görtsbach
Verschiedene Quellen
Von 1848 bis 1900
Die Auswirkungen der Hungerjahre und der Auswanderung auf die Bevölkerungsentwicklung werden deutlich an den Einwohnerzahlen. Im Jahre 1834 werden in Gersbach insgesamt 443 Einwohner gezählt. 1849 waren es 421 und 1861 nur noch 365, davon 349 Protestanten und 16 Katholiken.
Noch im Jahr 1848 bildete Gersbach und Winzeln zusammen mit Vinningen ein Bürgermeisterei. Peter Kölsch I. in Vinningen ist Bürgermeister, Jakob Weber IV. in Gersbach Adjunkt, also Ortsvorsteher, gewesen. Erst einige Jahre später wurde Gersbach Winzeln zugeordnet und bildete mit den Mühlen im Felsalbtal eine Bürgermeisterei.
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Zeit der Industrialisierung, brachte auch für Gersbach eine positive Entwicklung. Hierbei war der Einfluss der naheliegenden Stadt, in der die ersten Schuhfabriken entstanden, deutlich zu spüren. Das „Hutpäädche“ erhielt wieder stärkere Bedeutung, denn täglich gingen viele Männer und Frauen zur Arbeit in die „Fabrik“, andere machten Heimarbeit. Neue, bessere Straßen durchzogen das Land. Während die Stadt noch 1862 auf den “Dampfstraßenwagen” hoffte, begann schon bald der Ausbau der Eisenbahnlinie, über die im Jahr 1875 – vom „Hutpäädche“ aus sichtbar – der erste Zug nach Pirmasens rollte.
Gersbach fand Verbindung zur weiten Welt durch die Einführung eines Landzustellerbereichs: Schon seit 1858 kam der Landbote in seiner Dienstuniform wöchentlich mindestens einmal auf seinem Weg von Pirmasens über Winzeln, Windsberg, Dusenbrücken, Nünschweiler, Höhmühlbach, Höheischweiler, Hengsberg und Fehrbach auch in Gersbach vorbei. Später stellte auch die Privatpost Knörr aus Pirmasens, selbst am Sonntag, Briefe, Karten und Päckchen zu. Das Porto betrug zehn Pfennige.
In Gersbach entwickelten sich kleine Handwerksbetriebe, darunter im Jahr 1867 die Werkstatt des Mechanikus Jakob Sandt. Dieser wird auch als Vertreter der Gemeinde im Distriktarmenpflegerath genannt. Vertreter des größeren Grundbesitzes ist Gottfried Däther, Ackerer. Carl Göttel, Ackerer, gehört dem Presbyterium an. Lehrer Buchheit wirkt als “Hausvater” im protestantischen Waisenhaus in Pirmasens.
Die Gersbach “Kongries” dienten in der Garnison Zweibrücken bei dem 22. bayerischen Infanterieregiment. Von dort zogen sie auch in den Krieg 1870/71, der im Sommer des Jahres 1870 die Bevölkerung in großen Schreck und Angst versetze. Aber glücklicherweise blieb das Grenzland diesmal verschont, der Krieg verlagerte sich sehr rasch in das Innere Frankreichs.
Von den Wiesen im Blümelstal
Der Ackerer Gottfried Däther beklagt sich am 19. Januar 1866 beim königlichen Bezirksamt über die unzureichende Reinigung des Mühlgrabens in der Blümelsbach, im Fehrbacher Bann, der “schon seit urdenklichen Zeiten von den angrenzenden Wiesenbesitzern, der absoluten Notwendigkeit halber, alljährlich im Spätherbst ausgehoben und geputzt” wurde. Dies sei in den letzten Jahren, so Däther, “auf höchst ungehörige Weise, nähmlich nie in der gehörigen Breite und Tiefe” geschehen. Dadurch könne er seine Wiese nicht bewässern, was ihm zu hohen Schaden gereiche. Schon am 1. Februar 1866 gibt der Bürgermeister Jennewein von Fehrbach die Beschwerde “mit gehorsamsten Bemerken zurück, dass der in Rede stehende Mühlgraben .. schon vor Wochen gereinigt und eine Beschwerde Däthers nicht möglich ist ….”
Bereits in den Jahren 1860 und 1863 hatte Gottfried Däther, mit Heinrich Mörschel und sechs weiteren “Consorten”, Klage gegen den Müller Friedrich Schopfer von der Pelzmühle wegen zu hohen Wasserstandes und der dadurch erfolgten Überflutung der Talwiesen geführt. Nach einer von der “Königlichen Bayerischen Regierung der Pfalz – Kammer des Innern” am 20. August 1861 erfolgten Ortsbesichtigung wurde die Beschwerde der Gersbacher Wiesenbesitzer als unbegründet abgewiesen, da der Müller nicht gegen die am 16. Juli 1857 erfolgte “Aufpfahlsetzung” und die ihm “zugewiesene Stauhöhe” verstoße: ”Die Wiesenbesitzer, nicht der Müller sind also an der steten Versumpfung der Wiesen schuld, die leicht abgewendet werden kann durch die Anlage eines Flutgrabens und durch einen Gradstich des Mutterbaches”.
Aus den Akten der Brandversicherung
Im Archiv der Stadt Pirmasens finden sich in der Akte “Königliches Bezirksamt” die Unterlagen der “Pfälzischen Gebäudeversicherung” aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hierin wird über Brände in Gersbach berichtet und die “nach erfolgter Abschätzung des verursachten Schadens den genannten Brandgeschädigten zukommende Vergütung” festgesetzt. So erhält der Ackerer Phillip Göttel, für den infolge eines Brandes am 24. Januar 1866 an seinem im Wert von 800 Gulden versicherten “Wohn- und Oekonomie-Gebäudes” entstandenen Schaden eine Vergütung von zwei Gulden und 24 Kreuzern.
Bei Friedrichs Schaefers Wittw. entstand bei einem Brand am 11. März 1869 ein Schaden von 19 Gulden und 45 Kreuzern. Dem Ackerer Gottfried Däther III. wird nach einem Brand am 24. April 1869 bereits am 9. Mai eine Entschädigung von 16 Gulden und zwölf Kreuzern zugesprochen.
Dem Ackerer und Wirth Georg Weber dagegen wird für seine am 25. Juli 1868 abgebrannten Gebäude eine Entschädigung versagt, weil “unzweifelhaft feststeht und durch die k. Gendarmerie konstatiert wurde, dass der nebige Brand von der Elisabeth Weber, minderjährigen Tochter des Beschädigten Georg Weber, dadurch veranlasst wurde, das dieselbe Streichfeuerzeug aus einem Korb entnahm, welch letzterer unter einem Tisch in dem offenen Tanzsaal stand, und damit das Heu auf dem nahegelegenen Stallboden anzündete”. Weber wird mit der Begründung der fahrlässigen Handlung und der Verletzung der Aufsichtspflicht Selbstverschulden unterstellt. Aus diesen Gründen sah sich die Gebäudeversicherung außerstande, den Schaden zu regulieren: “Dagegen wird vorbehaltlich Regresses an besagtem Weber, dem gleichfalls mit beschädigten Ackersmann Georg Adam Knerr, den begutachteten Betrag von drei Gulden zuerkannt”.
Georg Weber protestierte gegen die Entscheidung. Danach wird am 17. Dezember 1868 “dem Rubrikaten für erlittenen Schaden” folgende Entschädigung zuerkannt:
- a) an dem Wohn- und Oekonomiegebäude 2134 Gulden, 94 Kreuzer
- b) an der Brennerei, Wohnung (Tanzsaal) 311 Gulden
- c) an dem Schuppen 39 Gulden 12 Kreuzer
- d) an den Schweineställen 2 Gulden
Gesamt: 2487 Gulden 6 Kreuzer
Aus der Höhe der Schadenssumme ergibt sich das Ausmaß des Brandschadens, an dem für insgesamt 3380 Gulden versicherten Gesamtbesitz des Georg Weber. Gleichzeitig wird dem Geschädigten zur Kenntnis gebracht, “daß die Entschädigung wegen vollständiger Erschöpfung der Brandkasse erst Anfang Februar kommenden Jahres ausbezahlt werden kann”.
Am 12. Januar des Jahres 1872 brannte das Gemeindehirtenhaus in den Almen samt Stallungen ab. Die pfälzische Gebäudeversicherung erstatte für die “totale Brandbeschädigung” den vollen Versicherungswert in Höhe von 550 Gulden. Zur Regulierung angewiesen wurden zunächst nur 350 Gulden. Die Restzahlung erfolgte erst nach “Vorlage eines bürgermeisteramtlichen Zeugnisses über die vollendete feuerverordnungsmäßige Wiederherstellung der beschädigten Gebäudlichkeiten”.
Der erste Brandschaden, der in Reichsmark abgerechnet wurde, war der des Jakob Bohrer. Am 22. November 1877 wurde durch einen Brand sein Wohnhaus teilweise beschädigt. Die Scheuer brannte bis auf die Grundmauern ab. Für den Schaden an dem mit 860 Reichsmark versicherten Wohnhaus erhielt Jakob Bohrer 363,98 Mark, für die Scheuer den Versicherungswert von 770 Mark, davon 663,98 Reichsmark als Abschlag, die restlichen 500 Reichsmark nach der “Fertigstellung der geschädigten Gebäude”.
Die Gersbacher Gemeinderäte in den Jahren 1870 und 1880
Aus den Jahren 1870 und 1880 liegen uns zwei Protokolle über die “Beeidung der Bürger aus Gersbach”, die in den Rat der Bürgermeisterei Winzeln berufen wurden, vor. Hier die Protokollauszüge, zunächst das Dokument von 1870:
“Am 8. Januar haben jeder der nachbenannten Gemeinderaths Mitglieder von Gersbach, also:
- Göttel Karl, 2. Bohrer Jakob, 3. Ziliox Heinrich, 4. Weber Hrch. VII. in die H Kuntz Heinrich, alle aus Gersbach, in Eid und Pflicht genommen”.
Gersbach im Kaiserreich
Die Begeisterung über den gemeinsamen Sieg der deutschen Landsmannschaften führte schon bald zur Gründung des Deutschen Reiches. Am 18. Januar 1871 übernahm König Wilhelm I. von Preußen die Kaiserwürde, zu der ihn König Ludwig II. von Bayern, im Namen der Fürsten und freien Städte Deutschlands, aufgefordert hatte. 41 Millionen Deutsche unterstanden der von Fürst Bismarck geprägten und von Preußen weitgehend bestimmten Reichsgewalt.
Mit großem Optimismus begann die “neue Zeit”, auch in Gersbach. Die Mark löste schon bald den Taler, den Gulden, den Kreutzer und den Franken als Zahlungsmittel ab. Das Metermaß verdrängte das Zoll, den Schuh, die Rute und den Fuß. Der Liter und das Kilo ließen das Malter, den Simmer, den Sester und das Maß vergessen. Es folgten reichseinheitliche Gesetze, Zollbestimmungen, Handels- und Zivilrechte und vieles andere mehr, auch durch die rasche Entwicklung in allen Bereichen des Wirtschaftslebens bestimmt. Ein gesellschaftlicher Umbruch erschütterte selbst die Dorfgemeinschaften und ließ die schwindende Bedeutung des Bauerstandes deutlich werden.
Eine Haufensiedlung in der Mulde
“Gersbach ist eine Haufensiedlung in der Mulde” lesen wir im zweiten Band der “Kunstdenkmäler Rheinland/Pfalz”. Um den Dorfbrunnen und am “Flössel” gruppieren sich, überwiegend verputzt, Einfirst- und Wohnhäuser mit wechselnden Giebel- und Traufanlangen. Zum Matzenberg hin und an der Straße nach Windsberg stehen langgestreckte Einfirsthäuser, die teils mit Wohn-, Scheuer- und Stallgebäuden zu Hakenlagen ausgebaut sind. Die Backhäuser, hier wie überall im Schwinden begriffen, standen getrennt vom Wohnhaus. Ebenso die “Altensitze”, die noch heute bei einigen Hofanlagenerhalten sind. Vereinzelt gab es Ziehbrunnen oder eigene Brunnen beim Haus. Die Zehntscheunen, längst ausgedient, standen bis vor wenigen Jahren am Dorfplatz und zwei im “Trampeleck” (Westring), das gemeindeeigene Hirtenhaus in den “Almen” auf dem heutigen Denkmalsplatz.
Inmitten der Mulde, beim Dorfbrunnen, dort wo das “Gäwweleck” und das “Trampeleck” zusammenstoßen, errichtete die Gemeinde im Jahr 1834 ein Schulhaus. Drei Generationen Gersbacher Kinder lernten in dem im klassizistischen Stil erbauten Schulgebäude lesen, rechnen und schreiben. Im Jahr 1901 zogen die Jungen und Mädchen mit geschmückten Sommertagsstecken und einer Brezel als Belohnung in das neue Schulhaus droben auf dem “Neuhof”. Damit die Schule, in der auch die “Amtsstube” untergebracht war, nicht so alleine am Dorfrand stand, errichtete die bayerische Forstverwaltung an der Ecke gegenüber ein von einer hohen Gartenmauer umgebenes staatliches Forsthaus.
Die Ortstraße wird chaussiert
“Bürgermeisteramt Winzeln 5. August 1890
An
das Königliche Bezirksamt Pirmasens
Betreff Wegherstellung in der Gemeinde Gersbach
Die Gemeinde Gersbach hat bescGersbach wird bayerischhlossen, einen Ortsweg zu chaussieren, d/pamitpol derselbe in richtiger Form angelegt wird und die Arbeiten beaufsichtigt werden, hat der Gemeiderath von Gersbach den Distriktstraßenwärter Friedrich Knerr von Vinningen zum Straßenaufseher für diese Regiearbeit gedungen…. Namens des Gemeinderathes von Gersbach, bitte ich gehorsamst, den Straßenwärter Knerr die Genehmigung zur Führung der Bauaufsicht gütigst ertheilen zu wollen. Gehorsamst Gaubatz Bürgermeister”
Am 19. August schreibt der Bürgermeister erneut an das Königliche Bezirksamt:
“Nach dem mit dem Wegebau alsbald begonnen werden soll, bin ich so frei hohe Behörde an mein am 5. l. Monats vorgelegte Gesuch zu erinnern”.
Doch bis zum 7.November müssen sich die Gersbacher gedulden. /p AnAn diesem Tag schreibt der Bezirksbauschaffner Schmitt, “das dem Ansuchen unter der Bedingung zu entsprechen sein dürfte, daß der Straßenwärter auf die Dauer dieser Verwendung einen Stellvertreter zur Versehung seines Dienstes auf eigene Kosten aufstellt”.
Nach und nach schloß sich die Lücke von der Mulde herauf. Die neuen Häuser und Gewerbebauten begrenzten mehr und mehr die über die Höhe führende Pirmasenser Straße, an deren Ende im Jahr 1889 der erste gemeindeeigene Friedhof angelegt wurde.
Die Gersbacher liebäugelten mit den Errungenschaften der Neuzeit: Mit elektrischem Strom und Straßenbeleuchtung, aber auch im Stillen mit der Anbindung an die geplante Bahnlinie nach Bitsch. Der nahende Krieg im Jahr 1914 machte jedoch alle Hoffnungen zunichte.
Sitten und Brauchtum im Wandel der Dorfgemeinschaft
Der wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Wandel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts veränderten auch das Gemeinschaftsleben in Gersbach. Sitte und Brauchtum, das Zusammenleben an sich wandelte sich rasch: Anstelle der “Maistuben” traten die Gasträume der Wirtschaften. Dort wurde nun öffentlich gefeiert, was zuvor im Kreis der Großfamilie getan worden war. Gesellige Vereine fanden Zulauf, die Menschen trafen sich zu Gesang, Sport und Spiel, aber auch in Gruppierungen mit beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Schon im Jahr 1890 wird der Obst- und Gartenbauverein im Ort gegründet. Um die Jahrhundertwende sangen die Gersbacher, standesgemäß getrennt, im Arbeitergesangverein oder im bürgerlichen Chor. Die Gesangstradition wird bis heute von der 1907 gegründeten “Liedergemeinschaft” fortgeführt.
Pfingstquack – Hexennacht – Kerwetanz
Zu den traditionellen Brauchtumsfesten zählt in Gersbach neben Weihnachten und Ostern der Umtrieb der Jugend in der Hexennacht vor dem 1. Mai. Im bäuerlichen Jahreslauf hatte neben dem Pfingstquack, der Sonnenwende und dem Erntedanktag auch der Stephanstag (26. Dezember) als Gesindetag und Zahltag für Pachtzins und Gefälle eine besondere Bedeutung. In der Vorweihnachtszeit gingen die Hausmetzger reihum: Überall, wo Schweine im Stall grunzten, stand das Schlachtfest bevor. Es war ein Festtag nicht nur für die eigene Familie, auch die Verwandschaft und die Nachbarn bekamen ihren Teil ab.
Was aber vor allem, und mit allen Bewohnern, im Dorf gefeiert wurde, war und ist am letzten Sonntag im September die “Kerb”. Die Kirchweih im Dorf ohne Kirche konnte nur ein weltliches Fest sein. “Eine Freß- und Saufkerb”, die nicht immer im Sinn der Kirche verlief und der “mit Hilfe des Staates der Garaus gemacht werden sollte”: Was hier, wie auch anderswo, nicht gelang. Mit der Begründung “Es is nur ämol Kerb im Johr” rüstete sich das Dorf schon Wochen zuvor: Die “gut Schdubb” wurde aufpoliert, es wurde gekocht und gebacken, denn die “viereckisch Vawandschaft” ist in Scharen gekommen. Die “Kerwebuwe” holten den Kerwestrauß, die “Kerweredd” wurde “gedichtet”, die Musik spielte zum Tanz auf. Schließlich wurde “der Hammel ausgetanzt” und am dritten Tag “die Kerb begrab”. Die Gäste, die aus der Stadt gekommen waren – am Kerwesonntag gab`s gebratene Gans, auch ins “Sandte Wertschaft” – erhielten als Proviant für den Heimweg einen Gugelhupf, der, im weiß-blauen Tüchlein verpackt, am Spazierstock baumelte.
Die Gersbacher und ihre Utznamen
Was waren das für Zeiten, als “es Schererfritze Hennrich mit es Betzedrickers Fried” tanzte und “de Hiwwelhennrich änner iwwer de Dorscht” getrunken hatte und schließlich die “Hengschberjer Knuppelkepp” den Mut fanden, die Gersbacher mit ihrem Utznamen “Lickeweck” zu foppen. Auf dem Heimweg durch die “Buttergaß” sangen die Burschen: “Die Gerschbacher Lickeweck fresse gern dicke Weck, saufe gern roter Woi, morje soll die Hochzeit soi.” Andere sangen zum Ärger der Gersbacher: “Hicke, Racke, Wicke, Wacke, mit de dicke Arschbacke, mit de dinne Sohle, de Deiwel soll eich hole.” Vom Neckvers bis zur Schlägerei dauerte es oft nicht lange. So auch beim Neujahrsansingen, zu dem die Gersbacher Jugend früher nach Hengsberg zog. Auf dem Heimweg sangen sie, nach gewonnener Schlacht: “Unn siegreich hommer die Hengschberjer geschla.” Noch drei weitere Necknamen für die Gersbacher nennt der Volkskundler Helmut Seebach in seinem Buch “Pfälzer Volkshumor”: “Sie halten Fi(e)rkel, sie sind die “Herdsheweler”, das heißt Herdehäfeler (Häfner, Ofenbauer), “unn de Hansjop” von nebenan nennt sie die Hanauer.”
Ein Wirthaushändel und seine Folgen
Dass ein Wirthaushändel einen bösen Ausgang finden kann, besagt ein Blick in die Gerichtsakten des Jahres 1870: “In der beim Königl. Bezirksgericht in Zweibrücken anhangigen von amtswegen eingeleiteten Untersuchung gegen Georg W., 35 Jahre alt, Wirth in Gersbach, Kanton Pirmasens, wegen vorsätzlicher Körperverletzung des Schusters Georg B. von Gersbach mit nachfolgendem Tode desselben am 6. November 1870. In Betracht, daß, wenn auch nach dem Ergebnisse der gepflogenen Untersuchung genügende Anzeichen dafür vorliegen, daß der beschuldigte W. den Schuster Georg B., indem er denselben am 6. lfd. Monats mittels mehrerer Stöße zum Tanzsaale seiner Wirthschaft hinaus und die Treppen hinunterverbracht hat, eine vorsätzliche Mißhandlung zugefügt hat, doch der Fall möglich erscheint, daß diese Mißhandlung nur wegen zufälliger, dem Täter nicht bekannter Umstände, insbesondere wegen der eigentümlichen Leibesbeschaffenheit des Beschädigten, der vielleicht als Branntweinsäufer eine besondere Unbeholfenheit und Ungelenkheit der Glieder, oder eine außergewöhnliche Knochensprödigkeit besaß, den Tode zur Folge gehabt hat.”
Gersbach im ersten Weltkrieg
Mit Hurra-Rufen und Begeisterung hatte die deutsche Jugend den Kriegsausbruch 1914 bejubelt, berichten die Chronisten. Die Menschen auf dem flachen Land wurden eher von den Kriegsereignissen überrascht, so auch in Gersbach. Die Plakatanschläge über die Mobilmachung und die Kriegserklärung, insbesondere aber die ersten Einberufungsbefehle, lösten im Ort mehr Sorgen um die Zukunft als Begeisterung aus. Und auch die Hoffnungen auf ein baldiges Kriegsende erfüllten sich nicht.
Schon im August des Jahres 1914 hatte sich der Gemeinderat mit der durch die Kriegslage gebotenen Armenunterstützung zu befassen. Die Armenkasse, eine gemeindeeigene Einrichtung, zahlte Unterstützung an Arbeitslose und an durch Einberufungen zum Heer unterstützungsbedürftige Heimatangehörige. Zahlen über Empfänger und die Höhe der Leistungen sind nicht bekannt. Im Vergleich zu den im Juli gleichen Jahres beschlossenen Ortslöhnen, von täglich 3,20 Reichsmark für Männer und 2,70 Reichsmark für Frauen über 21 Jahre und bis zu zwei Mark für Jugendliche unter 16 Jahren, dürfte die Unterstützung nicht besonders hoch gewesen sein.
Die Aufforderung zu Spenden und sonstige, von Amts wegen geforderte Beträge für kriegsbedingte Einrichtungen wiederholten sich immer öfter. Da war aus der Gemeindekasse Wolle zu kaufen, “die im weiblichen Handarbeitsunterricht zu Winterwäsche für die Soldaten verarbeitet werden” musste. Dann sollten die Einrichtung eines “pfälzischen Krieger-Erholungsheimes” und viele andere Aufgaben und Projekte mehr durch Spenden mitfinanziert werden.
Ein Antrag des durch die Einberufungen zum Heer dezimierten Gemeinderates, zur Heu- und Getreideernte 1915 die Mannschaften aus Gersbach, welche sich bei Ersatztruppenteilen in der Heimat befanden, zu beurlauben, traf bei den Militärs auf keine allzu große Resonanz.
Angstkäufe, Wucherpreise und Schwarzmarkt brachten schon bald die Lebensmittelversorgung in Schwierigkeiten. Lebensmittel und Versorgungsgüter wurden rationiert, Bezugs- und Berechtigungsmarken ausgeteilt. Auf den ersten Blick erschien es für die Landbevölkerung leichter als für die Menschen in der Stadt, in diesen harten Zeiten zu überleben, aber die Gemeinderäte waren gehalten, die staatlichen Reglementierungen zu unterstützen. So befasste sich der Gemeinderat in den Jahren 1916 und 1917 in mehreren Sitzungen mit der Bildung von Ausschüssen und Kommissionen zur Sicherung der Lebensmittelversorgung.
In den Verkaufsgeschäften mussten verbindliche Preislisten ausgehängt und Waagen aufgestellt werden. Der Preis für einen Zentner Speiskartoffeln wurde auf fünf Mark festgelegt. Die für die Verteilung der Kartoffeln gewählte Kommission musste den Bedarf an das Bezirksamt melden. Daneben bestand eine Lebensmittelkommission sowie ein Milch-, Butter- und Eierausschuß. Ein Viehbestandsverzeichnis war ebenfalls zu führen. Die Bildung eines “Fleischversorgungsverbandes”, “falls der Metzger im Ort für den Bedarf zu sorgen nicht imstande ist”, wurde diskutiert. Schließlich war es Aufgabe einer “Kohlenversorgungskommission”, eine Neuaufnahme des Brandvorrates zu erstellen.
Was den Gemeinderat gleichviel und auf Dauer beschäftigte, waren die zunehmenden Felddiebstähle der “städtischen Selbstversorger”, die schon in der Erntezeit 1915 begonnen hatten. Aus späteren Jahren liegen Beschlüsse vor, “über polizeiliche Vorschriften die Feldhut betreffend” und zur “Bildung einer Sicherheitswache”. Danach war “das Betreten der Feldwege zu jeder Tages- und Nachtzeit für alle unbeteiligten Grundbesitzer verboten”. Selbst Grundbesitzern war das Betreten des Feldes “in der Nachtarbeitszeit, d.i. von abends acht Uhr bis morgens sechs Uhr” untersagt. Um diese Vorschriften zu überwachen, ordnete die Gemeinde eine “Sicherheitswache als Gemeindedienst” an, zu dem unentgeltlich alle männlichen Personen vom vollendeten 21. bis zum vollendeten 55. Lebensjahr verpflichtet wurden. Wer der Anordnung der Ortspolizeibehörde nicht Folge leistete, wurde bestraft.
Eine für die Bürger wenig erfreuliche Entscheidung war der schon im Januar 1916 erfolgte Beschluss über die Erhebung einer “Bürgerrechtsgebühr”, die gemäß einer Änderung der pfälzischen Gemeindeordnung zu erheben war: “Die Wirksamkeit des Bürgerrechts und die Teilnahme an den Gemeindenutzungen in der Gemeinde Gersbach wird von der Bezahlung einer Gebühr abhängig gemacht. Die Gebühren werden in folgender Höhe festgelegt: 1. Für Reichsangehörige 70 Mark
- Für Nichtdeutsche 340 Mark
- Für gering bemittelte Personen auf 85 Mark
Zu den gering bemittelten Personen gehören diejenigen, deren Gesamtsteuer fünf Mark nicht überschreiten.”
Aber alle Verordnungen, Verpflichtungen und Belastungen der Bürger konnten das bittere Ende – den verlorenen Krieg – nicht verhindern: Mit 24 Gefallenen und Vermissten hat auch Gersbach seinen Blutzoll zahlen müssen.
Die Zeit nach dem verlorenen Krieg
Mit dem verlorenen Krieg war auch das glorreiche Kaiserreich am Ende. Im nahen Pirmasens hatte sich ein Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat gebildet, der die gemäßigte Richtung der Mehrheitssozialisten vertrat. Für revolutionäre Bestrebungen blieb aber wenig Zeit. Mit der Besetzung der Pfalz am 30. November 1918 durch die Franzosen regierte das Militär. Verordnungen, Verbote und Repressalien waren nun an der Tagesordnung.
Im Schatten der Militärdiktatur gedieh in jener Zeit der grenzenlosen Not und der aufgewühlten Leidenschaften eine hässliche Pflanze, die von dem Kommandanten der achten französischen Armee, General Gérard, und seinen Leuten liebevoll gepflegt wurde: der Separatismus. Bis zum Fanal von Pirmasens am 12. Februar 1924 verlebten die Menschen eine leidvolle Zeit. Der passive Widerstand der Pfälzer lähmte das öffentliche Leben. Die Inflation erreichte ihren Höhepunkt. Ein Heer von Arbeitslosen belagerte die Straße, 19.000 Menschen in der Pfalz waren ausgewiesen, 2.000 davon aus dem Raum Pirmasens. Unzählige unbescholtene Bürger saßen in den Gefängnissen: eine trostlose Situation.
Die Separatisten – eine Kindheitserinnerung von Karoline Hoffmann
“Am 4. Dezember 1923 kam am Morgen Postagent und Adjunkt Adam Bohrer zu meinem Vater. Er bat darum, ihn als Gemeinderatsmitglied nach Pirmasens zu begleiten. Man wolle mit den Separatisten verhandeln, wie es auch die Gemeinde Windsberg tat. Dort war Tags zuvor Schreckliches geschehen: Die Separatisten hatten, wie so oft, ihre Macht über die Bevölkerung gezeigt. Diesmal wurde aber durch eine unkontrollierte Schießerei ein Mann lebensgefährlich verletzt, der einen Bauchschuss erhielt, aber gerettet werden konnte, ein zweiter Windsberger Bürger wurde jedoch durch eine verirrte Kugel am Kopf tödlich getroffen: Drei kleine Kinder waren Halbwaisen geworden, seine schwangere Frau gebar genau einen Monat später ihr viertes Kind.
So machten sich am Nachmittag Bürgermeister, Adjunkt und Ratsmitglieder der beiden Gemeinden zum Cannossagang auf. Der Chef der Separatisten, ein Herr Schwab, empfing die Männer und hörte sich ihre Argumente an. Schon sah es nach einem Erfolg aus, als plötzlich ein Spitzel in den Raum trat. “Beide Gemeinden strotzen vor Waffen”, verkündete er, was Schwab ausrasten ließ: Sofort nahm er alle Männer als Geiseln, verhängte für jede Gemeinde eine Strafe von 40.000 französischen Francs, zahlbar innerhalb von 60 Stunden. Andernfalls würden die ersten fünf Bürgerfamilien ausgewiesen. Nach zähem Ringen durften zumindest die Dorfvorsteher nachhause, denn sie mussten sehen, wo die 40.000 Francs aufzutreiben waren.
Meine Mutter, meine Schwester, 13 Jahre alt, und ich, fast zehn Jahre alt, saßen daheim und warteten voller Angst auf den Vater. Um sechs Uhr abends war Sperrstunde, da durfte niemand mehr auf die Straße. Gegen halb elf Uhr riskierten meine Mutter und ich dennoch den Weg zum Hause Bohrer. Die Familie wohnte direkt neben der Schule. Gegen drei Uhr morgens wiederholten wir diesen Gang, nachdem der erste Versuch erfolglos geblieben war, blieben diesmal aber bei Frau Bohrer, die darüber recht froh war. Endlich kam gegen halb fünf Uhr am Morgen ihr Mann nach Hause und berichtete, was in der Stadt geschehen war. Wir schlichen uns im Morgengrauen, an den Hauswänden entlang, wieder heim.
Kaum war die Sperrstunde vorbei, kam mein Cousin Adolf und berichtete, daß ein Separatist an seiner Haustür gewesen sei. Er habe ihm im Befehlston mitgeteilt, daß August Weber – mein Vater – aus Gersbach als Geisel festgehalten werde. Ihm könne Essen gebracht werden, auch der Besuch seines Neffen Adolf sei erlaubt worden.
Adolf, der daraufhin meinen Vater besucht hatte, kehrte zurück und hatte von ihm etwas über das Canapee und die Schrotmühle erklärt bekommen. Damit hatte mein Vater ihm mitteilen wollen, daß er Waffen verstecken sollte. Adolf ging zuerst ins Wohnzimmer, wo Vaters Säbel hing. Ihn steckte er in der Getreidescheuer in einen Sack und ließ ihn an der Wand hinunter. Dann ging es zur Schrotmühle, wo das Luftgewehr lag. Es wurde in einer Holzlkiste im Mist vergraben.
Adolf berichtete zudem, daß er seinen Onkel August noch nie so mutlos und verzweifelt gesehen habe. Dann stieg er auf sein Fahrrad, auf dem schon die Schulmappe lag, und fuhr rasch davon: Er wollte rechtzeitig in der Realschule sein. Am Nachmittag schaute der Gemeindediener vorbei und fragte: “Ihr hann jo kä Waffe?” Ohne überhaupt die Antwort abzuwarten, ging er schon wieder. Schließlich hatte er sein Pflicht, nach vorhandenen Waffen zu fragen, ja erfüllt.
Die Männer, die nach Hause entlassen worden waren, blieben nicht untätig, schließlich ging es auch um die 40.000 Francs. Am folgenden Tag fuhr eine Gersbacher Abordnung nach Speyer zur Regierung zu einem Mann namens Heintz aus dem Dorf Orbis. Er war über den Bericht der Gersbacher sehr betroffen, denn an Tote hatte er nicht gedacht. Daher ordnete er auch an: “Die Geldstrafen werden aufgehoben und die Geiseln in Pirmasens freigelassen.”
Als ich am 7. Dezember aus der Schule kam, war mein Vater wieder daheim. Wenn wir beide uns später unterhielten und ich die Worte meines Cousins über seine Mutlosigkeit erwähnte, anwortete mein Vater: “Mein liebes Kind, in den Kriegsjahren hatte ich nicht so viel Angst, daß ich euch nicht mehr lebend sehe, wie in diesen drei Tagen als Geisel.” Für mich persönlich war dieses Erlebnis niemals vergessen. Noch heute, wenn ich nach über 72 Jahren daran denke, kann ich ein Zittern nicht vermeiden.”
Der Polizeidiener im Friseursalon
Natürlich saß der alte Gersbacher Polizeidiener Jakob Schindeldecker nicht persönlich im Friseursalon. Die Frauen, die zum Ondulieren gekommen waren, sprachen über ihn. Wen wundert es, dass gleich zwei der anwesenden Gersbacher Frauen mit dem Polizeidiener verwandt gewesen sind: Jakob Schindeldecker war der Großvater von Helga Bähr, zugleich aber auch der Großvater der Schwiegermutter von Hilda Ehrhardt.
Die Frauen erzählten aus ihrer Kinder- und Jugendzeit, als der Polizeidiener ein gefürchteter Mann im Dorf gewesen ist. Groß und stattlich kam er in seiner Uniform daher: “De Jakob” war “das Auge des Gesetzes” in Person. Respekt verschaffte ihm sein großer Stock, den er ständig bei sich trug. Laut und stimmgewaltig sorgte er für die Ordnung im Dorf.
Schon im Jahr 1911 war Jakob Schindeldecker im Dienst, bis ihn in den späten dreißiger Jahren die Dorfjugend während einer Schlittenpartie “dienstuntauglich” fuhr. Die Buben und Mädchen hatten es nicht in böser Absicht getan: Sie rodelten an einem kalten Winterabend immer wieder die “Hohlgaß” hinunter bis zu den großen Kastanienbäumen am Dorfbrunnen. Natürlich wußten sie, daß das Rodeln auf der Dorfstraße verboten war. Plötzlich trat, laut schimpfend, der Polizeidiener einem der schnellen Rodler in den Weg. Bremsen war vor Schreck nicht mehr möglich. Den alten Schindeldecker hatte es aber böse erwischt. Er mußte seinen Dienst aus gesundheitlichen Gründen quittieren.
Da war aber auch noch “de Gemändiener, de Schindeldecker Fritz”, ein Enkelsohn des Polizeidieners. Er ist der letzte gewesen, der mit der Schelle durch das Dorf ging. “Er rief immer so schön Bee… kanntmachung”, erinnert sich eine der Frauen, die andere vermutet: “Eigentlich mißt er die Glock noch han.” Eine der Friseurkundinnen versprach, einmal nachzuforschen, ob er noch ein Bild hat, das ihn als Gemeindediener zeigt.
Nicht nur “vunns Schindeldeckers” ist aber im Friseursalon gesprochen worden, auch von der Glockenweihe im alten Betsaal mit Pfarrer Arnold. Es muß irgendwann in den zwanziger Jahren gewesen sein. Frau Ehrhardt hat sich noch an den Bibelspruch erinnert: “Meinen Frieden lasse ich Euch…” Pfarrer Arnold hatte sie übrigens auch 1939 während der Evakuierung, “in der Fremde” in Gemünden, getraut.
Noch manches über die Ortsgeschichte ließe sich im Friseursalon erfahren. Man müßte sich nur die Zeit nehmen, und sei es allein für die “Dauer einer Dauerwelle”: So lange haben Männer aber bekanntlich keine Geduld.
Das Kriegerdenkmal
Eine würdige Gedenkstätte für die Gefallenen des Krieges 1914/18 errichtete die Gemeinde Gersbach in den Jahren 1930/31.
Erstmals wurde in der Sitzung des Gemeinderates am 16. Februar 1925 über ein Kriegerdenkmal gesprochen und durch einen Mehrheitsbeschluss mit einem Betrag von 200 Reichsmark aus der Gemeindekasse der Grundstock dafür gelegt. Erst am 16. Mai 1927 befasste sich der Gemeinderat auf Antrag des Ratsmitgliedes Bohrer mit der Angelegenheit wieder. Es erging ein einstimmiger Beschluss, “am nächsten Freitag sämtliche Vereinsvorstände zu einer gemeinsamen Sitzung einzuladen”.
Es dauerte bis zum 16. August 1929, bis der Gemeinderat, gedrängt von der notwendigen Anlage eines neuen Gräberfeldes auf dem Friedhof, über den Standort des Denkmales diskutierte. Nach einem vorliegenden Gutachten “kommt als geeigneter Platz nur das Gelände des niedergelegten Hirtenhauses oder der Friedhof in Frage”. Da eine Einigung nicht erzielt werden konnte, beschlossen die Ratsmitglieder am 30. August 1929, auf Kosten der Gemeindekasse Kostenvoranschläge einzuholen. Nach einer Ortsbesichtigung errechnete die Landesgewerbeanstalt Kaiserslautern für “die Herstellung der Anlagen, ausschließlich des Denkmalgesteines selbst, überschlägig, für den Platz in der Ortsmitte 3.160 Reichsmark, für den Platz am Friedhof 6.949,28 Reichsmark.”
Gleichzeitig empfiehlt der Gutachter “schon aus künstlerischen Erwägungen den Platz in der Dorfmitte beizubehalten”. Darüber aber sollte nach einem Gemeinderatsbeschluss eine “durch rechtzeitige Bekanntmachung mit der Ortsschelle” einzuladende Bürgerversammlung entscheiden. Nach längerer Diskussion am Abend des 26. Oktober 1929 stimmten 57 Bürger für den Platz in der Dorfmitte, 15 für den Friedhof, einer der Anwesenden enthielt sich der Stimme.
Nach Klärung der Standortfrage holte das “Denkmalkomitee” Entwürfe und Kostenvoranschläge für das Denkmal ein. Das Denkmal, mit knieendem Krieger, Gesamthöhe 4,20 Meter, mit 800 Buchstaben Inschrift, sollte nach einem Angebot des Bildhauers Rumpf, Kaiserslautern, 4.200 Reichsmark kosten, desgleichen mit einer Kriegergruppe, 4,70 Meter hoch, 4.450 Reichsmark. Schließlich fand das von Heinrich Rech entworfene Modell des Bildhauers Hermann Wagner, Pirmasens, mit der überlebensgroßen Figur des ruhenden Kriegers zum Preis von 5.000 Reichsmark den Zuschlag.
Unter großer Beteiligung der Bevölkerung, des Kriegervereines, der örtlichen Gesangvereine und des Kirchenchores wurde das Denkmal im Frühjahr 1931 eingeweiht. Von den in der Feierstunde gesprochenen mahnenden Worte zum Erhalt des Friedens war bei den Aufmärschen an den Heldengedenktagen der folgenden Jahre kaum noch eines zu hören.
Eine zweite Weihestunde fand 36 Jahre später statt. Die Gemeinde Gersbach ließ im September 1967 an dem “nach Räumung des Rheinlandes (durch die Franzosen am 30. Juni 1930) errichteten Kriegerdenkmal eine Bronzetafel anbringen, mit 73 Namen, der im Krieg 1939/40 gefallenen und vermissten Söhne der Gemeinde”. Wieder erklang das Lied vom guten Kameraden. Eine Abordnung der Bundeswehr hielt die Ehrenwache. Mahnende Worte für den Frieden und für die Verständigung der Völker wurden gesprochen, Worte des Trostes und der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.
Die Errichtung des Ehrenmales in den Jahren 1930/31 und die Anfertigung der Bronzetafel 1967 konnten nur mit finanzieller und materieller Unterstützung der Gersbacher Bürger verwirklicht werden. Die Anlage des Denkmalplatzes 1930 und die Neuanlage 1967 oblag der Gemeinde.
Gersbach im “Tausendjährigen Reich”
Das traurige Ende des Dritten Reiches dürfte bei vielen Bürgern in Gersbach noch in Erinnerung sein. Nur wenige aber wissen von den Anfängen der nationalsozialistischen Bewegung, die bereits im Jahre 1925 in Kaiserslautern und wenig später in Pirmasens und Zweibrücken Parteiorganisationen bildete und rasch auf das örtliche und politische Leben in den Landgemeinden spürbaren Einfluss nahm.
Nach einem vorliegenden Bericht des späteren Bürgermeisters Fritz Hildebrand fasste in Gersbach die nationalsozialistische Bewegung schon sehr früh Fuß. Bereits im Juni 1926 konnte die erste Zelle der NSDAP gegründet werden: “Obwohl die junge Kampfgemeinschaft gerade im Ort einen starken und zähen Gegner hatte, führten die folgenden Jahre zur Niederringung derselben” und schon Jahre 1930 hatte in der Gemeinde Gersbach die NSDAP die absolute Mehrheit.
Die politischen Ereignisse in der Zeit der Weimarer Republik, die letztlich zur Machtübernahme der Nationalsozialisten und zur Berufung Adolf Hitlers zum Reichskanzler führte, sind in vielen Publikationen veröffentlicht. Aus verständlichen Gründen fanden dabei lokale Geschehnisse nur dann Berücksichtigung, soweit sie von überörtlicher Bedeutung gewesen sind. Zu den Gemeinden, über die aus jener Zeit wenig berichtet wird und in deren Archiven aussagefähige Ratsprotokolle oder sonstige Schriftstücke fehlen, zählt Gersbach.
Es ist anzunehmen, denn gegensätzliche Informationen liegen nicht vor, dass in Gersbach, dessen wahlberechtigte Bürger weitgehend protestantischen Glaubens und viele sozialdemokratischer Gesinnung gewesen sind, kaum Widerstand gegen die durch die Nationalsozialisten innerhalb weniger Wochen durchgesetzte “Gleichschaltung” zu spüren war.
Das Ergebnis der kurz nach der Machtergreifung der NSDAP anberaumten Reichstagswahl vom 5. März 1933 lässt erkennen, dass in Gersbach – wie in vielen pfälzischen Orten – die Machtübernahme durch die Nazis von einem großen Teil der Bevölkerung, aus vielerlei Gründen, begrüßt oder, wie die Stimmabgabe zeigt, zumindest toleriert worden ist.
Das Ergebnis der Gemeinderatswahl am 5. März 1933 in Gersbach:
NSDAP SPD KPD Dnat. DVP
307 113 10 2 10
Das am 24. März 1933 gegen die Stimmen der SPD vom Reichstag verabschiedete Ermächtigungsgesetz (Gleichschaltungsgesetz) trat bereits am 31. März in Kraft. Dem Willen des Gesetzes entsprechend, erfolgte die Umbildung der Landesparlamente, des Bezirkstages und der Gemeindeparlamente. Aufgrund dieses Gesetzes wurde die Bürgermeisterei Winzeln aufgelöst. Gersbach ist selbständige Gemeinde geworden, mit Gemeinderat und Bürgermeister.
Zu den ersten Beschlüssen des nationalsozialistisch gesetzten Gemeinderats zählte die Anschaffung von Hitler-Bildern zur Ausschmückung der Schule und des Gemeindebüros. In der gleichen Sitzung wird Reichskanzler Adolf Hitler und in späteren Sitzungen werden Reichsmarschall Hermann Göring, Gauleiter Josef Bürckel, Reichsminister Dr. Frick und Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp zu Ehrenbürgern der Gemeinde Gersbach ernannt.
Die politisch unzuverlässigen Vereine, Parteien und kirchlichen Organisationen wurden unmittelbar nach der Machtergreifung verboten, aufgelöst und deren Vermögen beschlagnahmt. Die “geduldeten” Vereine wurden “gleichgeschaltet”, das heißt die Vorstände mit Parteileuten besetzt.
Das Führerprinzip galt als oberstes Prinzip des Staates. Selbst der Inhaber eines Betriebes, der Chef, hatte zugleich die Position des “Betriebsführers” inne. Die “Deutsche Arbeitsfront” übernahm nach dem Verbot der freien Gewerkschaften die Interessenvertretung der berufstätigen Volksgenossen. Die von ihr berufenen Vertrauensleute sorgten für linientreue Disziplin in den Betrieben und vertraten gegenüber der Gefolgschaft die vom Staat diktierten Löhne und Arbeitsbedingungen. Die Landwirte wurden Mitglied der Reichsbauernschaft, den Jugendorganisationen blieb nur der Weg zur Selbstauflösung oder der Übertritt zur Hitler-Jugend. Die politische Bespitzelung und Verfolgung der Regimegegner verschonte auch die Bürger von Gersbach nicht.
Das Führerprinzip und die “arische Abstammung”
Dem Bürgermeister oblag die verwaltungsmäßige Führung der Gemeinde, dem Ortsbauernführer Georg Rothhaar die Führung der Bauernschaft. Ortsgruppenleiter war zunächst Fritz Hildenbrand, später Robert Joas, danach Otto Schmitt. Sie hatten für eine möglichst starke nationalsozialistische Präsenz am Ort zu sorgen, dafür, daß die Parteigliederungen SA, Hitlerjugend, BDM und Frauenschaft das örtliche und gesellschaftliche Leben, oft bis in die Familien hinein, mitbestimmten und daß die nationalsozialistischen Feiertage in würdiger Form Gestaltung fanden.
Einer dieser Feiertage war der Heldengedenktag, an dem alljährlich vor dem Gefallenen-Ehrenmal der Ortsgruppenleiter in einer Rede sowohl den Gefallenen der letzten Kriege, als auch den “Helden der Nation” gedachte. Zur Feierstunde marschierte eine Formation der SA, die Mitglieder des Kriegervereines, ein Musikzug und die uniformierte Jugend des Dorfes auf. Der Gesangverein sang das Lied vom guten Kameraden.
Jeder aber, der in der Partei eine Führungsrolle übernehmen wollte, wer bei der Gemeinde oder im öffentlichen Dienst tätig gewesen ist, alle Beamten, die Militärs, die Schullehrer und selbst die Pfarrer mußten ihre arische Abstammung nachweisen. Denn nur derjenige, in dessen Adern “rein deutsches Blut” pulsierte, hatte im NS-Staat eine Chance. Die Partei bediente sich für diese rassistische Aktion der Mitarbeit der Pfarrer, die für die Erledigung der Anfragen jeweils die Tauf-, Trau- und Sterberegister über mehrere Generationen durchsehen mußten. Hierzu schreibt Pfarrer Wilhelmy in seinen Lebenserinnerungen: “Mit ruhigem Gewissen und Gehorsam gegen die Obrigkeit, füllten wir die vielen Bescheinigungen auf dem amtlichen Vordruck aus und ahnten nicht, was für eine Plage und Schinderei, was für Schicksale die Bescheinigung einer “nichtarischen Großmutter” über Menschen brachte”.
Die Elite der “Herrenrasse” träumte indessen den Traum des Großdeutschen Reiches, sonnte sich im Glanz ihrer Macht, blendete mit Militärparaden, Aufmärschen und großen Reden das Fußvolk, dem die Rüstungsindustrie und im Grenzland auch der Bau des Westwalles Arbeit und Brot verschaffte.
Mit dem BDM und der HJ auf Fahrt
Natürlich sind die Namen auch heute noch Begriffe: BDM, HJ und wie die Parteiorgane der Nationalsozialisten sonst hießen. Wie aber sah der Alltag in der Hitlerjugend aus, wie fassten die Mädchen eines kleinen Dorfes, wie es Gersbach war, Mitgliedschaft und Arbeit im Bund Deutscher Mädchen (BDM) damals auf? Einblicke in die Gersbacher BDM-Ortsgruppe gibt Karoline Hoffmann, die sich an diese Zeit noch gut erinnert:
“Mitte des Jahres 1933 bildete die NSDAP auch in Gersbach den Bund Deutscher Mädels (BDM) und die Hitlerjugend (HJ). Einmal wöchentlich trafen wir uns zum Liedersingen und hörten Vorträge oder Parolen der Partei. Wir Mädchen fertigten darüber hinaus Handarbeiten an oder bastelten, was uns Spaß machte. An der Sonnenwende etwa entfachten wir, zusammen mit der HJ, ein Höhenfeuer, sangen Lieder und tanzten um das Feuer.
In der Hexennacht gingen wir auf Nachtwanderung, wobei besonders viel Blödsinn gemacht wurde. Bei Ludwig Scherer in Windsberg nahmen wir in dieser Nacht einen Wagen mit. Einer der Buben lenkDer wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Wandel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts veränderten auch das Gemeinschaftsleben in Gersbach. Sitte und Brauchtum, das Zusammenleben an sich wandelte sich rasch: Anstelle der “Maistuben” traten die Gasträume der Wirtschaften. Dort wurde nun öffentlich gefeiert, was zuvor im Kreis der Großfamilie getan worden war. Gesellige Vereine fanden Zulauf, die Menschen trafen sich zu Gesang, Sport und Spiel, aber auch in Gruppierungen mit beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Schon im Jahr 1890 wird der Obst- und Gartenbauverein im Ort gegründet. Um die Jahrhundertwende sangen die Gersbacher, standesgemäß getrennt, im Arbeitergesangverein oder im bürgerlichen Chor. Die Gesangstradition wird bis heute von der 1907 gegründetepn “Liedergemeinschaft” fortgeführt.p/em/p/pte mit den Beinen die Deichsel, ein anderer machte den Bremser. Mit lautem Getöse – der Wagen hatte Eisenräder – rollten wir die steile Dorfstraße hinunter. Im Tal ließen wir den Wagen stehen, um weiter nach Kleinsteinhausen zu wandern, wo wir schließlich mitten an der Nacht am Dorfbrunnen saßen und deutsche Weisen sangen. Beschwerden wegen Ruhestörung gab es keine, wir ernteten nur Beifall. Bis Bottenbach waren wir gewandert und erst gegen Morgen wieder heimgekehrt.
Im Sommer 1934 sind wir an einem Samstag mit der Bahn nach Dahn in die Jugendherberge gefahren. Eine Gruppe junger Männer war schon angekommen, von denen zwei Musikinstrumente mitgebracht hatten. Liedersingen und Pfänderspiele lösten einander ab, es wurde auch viel gelacht an diesem Abend, bis die Herbergsmutter rief: “Marsch in die Bet/p/p ten.” Am Sonntag mußten wir früh am Morgen aufstehen, denn wir wanderten zum Schönauer Weiher, wo ich auch Bilder aufgenommen habe. Leider erlauben es einige ehemalige BDM-Mitglieder nicht, daß diese Aufnahme heute veröffentlicht werden. Am Sonntag abend sind wir dann mit dem Zug nach Pirmasens zurückgefahren.
Auch am Sängerwettstreit in Hauenstein beteiligten wir uns. Zu Fuß hatten wir uns auf den Weg gemacht, begleitet von der HJ-Ortsgruppe. Mit unserem Lied “Es dunkelt schon in der Heide” gewannen wir den Liederwettbewerb, allerdings wurde uns, weil wir betreut worden waren, der erste Preis versagt.
Im August 1934 erhielt ich den Befehl der Ringführerin Mali Keller, daß ich mich p umgehend bei ihr melden solle. Warum? Ich hatte keine Ahnung. Sie sprach dann Anschuldigungen gegen mich aus, die ich lächerlich fand und ihr daher entgegnete, daß ich keine BDM-Führerin sein müßte, mein Leben wäre ohne dieses Amt freier. Ich stand auf und wollte gerade gehen, als sie ihr Verhalten plötzlich änderte und freundlich wurde. Eigentlich machte sie den Eindruck, als ob sie allein ihre Machtstellung beweisen wollte, denn wir Gersbacher Mädels hatten uns nie völlig ihrem geforderten bedingungslosen Gehorsam angepaßt.
Beim Gautreffen auf der Zweibrücker Festwiese wurde aus vollen Kehlen “Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar” gesungen – 1935 entschied sich das Saarland dann auch für das Reich. Die Festrede in Zweibrücken hatte Gauführerin Else Storck gehalten. “Das Christentum hat in seiner 2000jährigen Geschichte total versagt”, erklärte sie in ihrer Ansprache: Was nach diesen Worten kommen würde, merkte ich sofort.
Im Wintersemester besuchte ich auf Wunsch meines Vaters die landwirtschaftliche Haushaltsschule. Ein gewisser Dr. Laub behandelte dort Themen wie die NSDAP-Politik oder die Vererbungslehre nach Darwin, sprach auch über alles, was gut und richtig am Dritten Reich sei. Ich muß wohl eine gute (?) Schülerin gewesen sein, denn er empfahl in einer Bewertung: “Nach Ende der Schulzeit gleich in das Lehr- und Führungslager des Reichsnährstandes zur Schulung entsenden.” Außerdem stand da zu lesen: “Führungskräfte junger Frauen fehlen.”
Meine Antwort auf die geforderte Laufbahn war ein kategorisches Nein. Am 1. November 1935 wurde ein anderes Gersbacher Mädchen meine Nachfolgerin auf der Haushaltsschule. Sie hatte zuvor auch die Gersbacher BDM-Ortsgruppe geleitet, nachdem ich nur noch an Wochenenden nach Hause kam, denn der Schulbesuch war mit einem Internatsaufenthalt verbunden. Ich selbst wurde am gleichen Tag, als sie in die landwirtschaftliche Haushaltsschule eintrat, Schülerin im Säuglingsheim der evangelischen Diakonissenanstalt in Speyer.”
Gersbach in der Zeit des Westwallbaues
Der Westwall zog sich von Basel bis Aachen über 630 Kilometer entlang der deutschen Westgrenze gegen Frankreich. Der “Siegfriedslinie” gegenüber stand die in den Jahren 1926/27 errichtete Maginot Linie. Organisation und Durchführung des im Mai 1938 begonnenen Baus des Westwalles lag in der Verantwortung der “Organisation Todt”, benannt nach dem damaligen Generalinspektor für das deutsche Straßenbauwesen, Dr. Fritz Todt. Bis zum Beginn des Krieges 1939 waren etwa 14.000 Bunker und Kampfanlagen fertiggestellt, rund 3,5 Milliarden Mark “in den Grund gesetzt”.
Alle Beteiligten, von den Staatsunternehmen bis hinunter zu den kleinsten Handwerksbetrieben, sowie das große Heer der Arbeitskräfte aus allen Gauen Deutschlands, waren “verpflichtet”. Der Staat war zum großen “Zahlmeister” geworden, was dem nicht besonders wohlhabenden Grenzland einen spürbaren wirtschaftlichen und finanziellen Aufschwung brachte. Die Westwallarbeiter waren in Barackenlagern des RAD, in Schulhäusern und Gaststätten untergebracht. Einige wohnten auch privat in den Baustellen nahen Dörfern. Von dort fuhren sie mit dem Bus oder Lastwagen zur Zwölf-Stunden-Schicht. Die Verpflegung übernahmen die Kantinen der Großbauunternehmen oder die Küchen des Reichsarbeitsdienstes.
Auf der Gemarkung Gersbach wurde schon früh beim Sportplatz ein großes RAD-Barackenlager errichtet. Dort fand am 20. April 1939, aus Anlaß des 50. Geburtstages von Adolf Hitler, eine große Lagerparade mit der Vereidigung junger RAD-Männer statt. Einen Monat später – Hitler war viermal auf Inspektionsreise in der Pfalz – wurde für ihn bei Walshausen eine Gefechtsübung inszeniert. Zuvor war er auch durch Gersbach gefahren, von den fähnchenschwingenden Schulkindern begrüßt. Im Gersbacher Bann standen zwei weitere Barackenlager: im “Rundrum” bei den Delläckern und drunten im Blümelstal am Hang zum Rimschberg.
Obwohl zwischen den Lagern und den Bürgern keine große Beziehungen bestanden, belebten die RAD-Leute, Soldaten und Arbeiter in ihrer kurzbemessenen Freizeit das Dorf, insbesondere die Wirtschaften, in deren Tanzsälen die von der NS-Gemeinschaft “Kraft durch Freude” organisierten Unterhaltungsprogramme, kulturelle Veranstaltungen und Filmabende abliefen, zu denen auch zuweilen die Bevölkerung Zutritt hatte.
Der Westwallbau griff tief in die Landschaft ein, aber nicht minder in das Leben der Menschen. Abgesehen von der berechtigten Sorge nachdenklicher Zeitgenossen, daß die Errichtung eines solchen gigantischen Befestigungssystems unweigerlich auf Krieg hindeute, gab es auch sonst der Bedrückung genug. Besonders zu leiden hatten die Landwirte durch die Abtretung von Flächen für Bunker, Panzergräben und Schützenhindernisse. Der wirtschaftliche Schaden wurde ihnen bezahlt, doch kann man einem Bauern ideellen Wert ersetzen?
Kapitel 02f
Die Entstehung des Westwalls
Von Steffen Sandoz
Nachdem die Wehrmacht am 7. März 1936 die entmilitarisierte Zone westlich des Rheines besetzt hatte, wurde mit der Planung und Erkundung einer Landesbefestigung entlang der Westgrenze des Deutschen Reiches begonnen. Ab 1936 erfolgte der Ausbau durch die Festungspionierorganisationen unter der Leitung der Festungspionierstäbe (Fest.Pi.Stb.), die ihrerseits der Inspektion der Festungen beim Generalstab des Heeres (In.Fest.) unterstanden und deren Disziplinarvorgesetzter der Inspekteur der Pioniere und Festungen war. Nach der Planung der “In.Fest.” vom März 1936 sollten alle Verteidigungsanlagen bis 1948 fertiggestellt sein.
Nach der Mobilmachung des tschechoslowakischen Heeres am 20. Mai 1938 ordnete Adolf Hitler am 28. Mai 1938 den beschleunigten Aufbau einer Festungszone gegenüber dem mit der Tschechoslowakei verbündeten Frankreich an. Vorgegebenes Ziel war die Schaffung eines Kampffeldes für die Abwehrschlacht an der Westgrenze bis zum 1. Oktober 1938.
Nachdem Reichsmarschall Hermann Göring in Begleitung des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen, Dr. Fritz Todt, im Juni 1938 eine Besichtigungsreise in die für die Westbefestigung in Frage kommenden Gebiete unternommen hatte und am 14. Juni 1938 Hitler auf dem Berghof berichtete „Es ist so gut wie nichts da“ , erhob Hitler schwere Vorwürfe gegen den Generalstab des Heeres und gab Todt den Auftrag, in eineinhalb Jahren 10.000 Betonbauten, die Hälfte bis zum Herbst 1938, zu erstellen.
Der Westwall im Raum Pirmasens
Am 1. Januar 1937 wurde die Festungsbaugruppe zwölf von Ludwigsburg nach Pirmasens verlegt und gleichzeitig umbenannt in “Fest.Pi.Stb 12”. Der “Fest.Pi.Stb. 12” war für die Zeichnungen, Berechnungen und Konstruktionen in den einzelnen Bauabschnitten im Raum Pirmasens zuständig. Die Pirmasenser Region gehörte nach der ersten Planungen der “In.Fest.” zu dem Bereich der Festungsfronten und sollte somit Bauwerke der höchsten Baustärken, Rundumverteidigung , Hohlgangsysteme und starke Hindernisse auch gegen Panzerkampfwagen erhalten.
Dem “Fest.Pi.Stb.12” standen zu dieser Zeit noch keine konkreten Unterlagen für die Bauausführung zur Verfügung. Die in dieser Zeit schon gebauten Anlagen sind von dieser Dienststelle selbst entworfen worden und deshalb auch Einzelstücke wie etwa die beiden B-Werke bei Obersimten und nahe des Rodalberhofs . Dies änderte sich jedoch, als im Mai 1938 die Bestimmungen für Regelbauten der Baustärken D-B1 durch die “In.Fest.” herausgegeben wurden. Diese Bestimmungen sollten den “Fest.Pi.Stb.” als Grundlage dienen und somit durch Generalisierung der Bauten eine Produktion in größeren Stückzahlen zulassen.
Nachdem Hitler am 28. Mai 1938 den beschleunigten Aufbau einer Festungszone entlang der Westgrenze des Deutschen Reiches angeordnet und aufgrund des Göring-Berichtes am 14. Juni 1938 den Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen mit der Durchführung der Baumaßnahmen beauftragt hatte, begann auch in Pirmasens eine rege Bautätigkeit am Westwall. Um den von Hitler geforderten Zeitplan zu erfüllen, mussten nun Arbeiter und Material aus dem gesamten Reich an die Westgrenze herangeführt werden. An einen Weiterbau der bisher erstellten Regelbauten war nicht mehr zu denken, da die geforderte Massenfertigung durch meist unerfahrene Baufirmen und eine Bauüberwachungsorganisation, die Organisation Todt (OT), die bisher nur Erfahrungen im Bau von Autobahnen gesammelt hatte, möglichst einfache Bauformen voraussetzte.
Auf der Gemarkung Gersbach wurden Arbeiter, die der OT unterstanden, und die RAD-Abteilungen 2/224 und 6/107 eingesetzt (RAD: Reichsarbeitsdienst). Die OT-Arbeiter waren in Gersbach in einem Barackenlager untergebracht. Die Deutsche Arbeitsfront übernahm die Betreuung der Arbeiter, sorgte für Quartiere, Verpflegung und für die Gestaltung der Feierabende. Die SA stellte Feldküchen und Zeltbahnen zur Verfügung. Das NSKK bildete Motorstaffeln. Die SS übernahm die Sicherung der Baustellen. Die Arbeitszeit betrug täglich bis zu 13 Stunden, die Regel war eine Zwölf-Stunden-Schicht. Wegen Übermüdung kam es zu zahlreichen Unfällen auf den Baustellen. In den Massenquartieren brachen Schlägereien aus. Bis zum 1. Oktober gab es keine Heimfahrt für die Arbeiter. Die Entlohnung entsprach den Autobahntarifen.
Die Westwallanlagen im Abschnitt Felsalb
Der Abschnitt des Westwalles entlang des Felsalbtales gehörte nach den ersten Planungen der “In.Fest.” zu dem Bereich der Festungsfronten und nach den Bestimmungen für Regelbauten der Baustärken D-B1 durch die “In.Fest.” sollte aus den Scharten der Eingangsverteidigung auch in die Tiefe des Kampffeldes gewirkt werden können. Dies hatte zur Folge, daß in diesem Abschnitt zuerst mit dem Bau von Anlagen auf den Hochflächen über den Tälern begonnen wurde, auch um Gersbach. In den Tälern wurde nur der Sperrausbau bis zum 16. Juni 1938 betrieben, zu diesem Zeitpunkt wurde der Bau solcher Anlagen durch die Pionierinspektion der Westbefestigungen untersagt. Die noch nicht ausgeführten Anlagen wurden bis einschließlich dem 8. August 1938 in einer stärkeren Ausführung weitergebaut.
Aufgrund des Hitler-Befehls vom 28. Mai 1938 waren bis zum 1. Oktober 1938 zusätzlich zu den schon im Bau befindlichen Anlagen weitere 1.800 Schartenstände und 10.000 Bunker zu bauen, so daß das oben erwähnte Konzept nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Unter der OT-Leitung wurde nun auch im Felsalbtal mit dem Bau einer Hauptkampflinie begonnen.
Die Felsalb wurde mit einem Dampfbagger zu einem Naßpanzergraben umgestaltet und in den in Fließrichtung links liegenden Wiesen wurden Minenfelder angelegt. Oberhalb des heutigen Weges von der Eichelsbachermühle nach Dusenbrücken entstand danach eine Vielzahl verschiedener Bunker und Schartenstände mit den verschiedensten Aufgaben. Den größten Anteil bildeten die sogenannten Gruppen- und Doppelgruppenunterstände. Gegenüber von ins Felsalbtal führenden Taleinschnitten wurden MG-Schartenstände eingebaut. An besonders gefährdeten Stellen wurden Pak-Schartenstände errichtet, die das Einfallen von feindlichen Panzerkraftwagen vereiteln sollten, so auch beiderseits der Straße von Winzeln nach Vinningen.
Auf den Hochflächen hinter diesen Anlagen entstand danach die zweite Verteidigungslinie, die durch Artillerie, Schall- und Lichtmeßstände ergänzt wurde. Im Bereich der Gemarkung Gersbach entstanden zudem auch noch einige minierte Anlagen, die der Lagerung von Material und Munition sowie der Unterbringung des Stabes der eingesetzten Truppen dienten.
Kapitel 02g
Gersbach im Zweiten Weltkrieg
Von Fritz Burger
Kriegsbeginn, Evakuierung und Heimkehr 1939/40
Die Eindrücke der ersten Kriegstage im September 1939 sind bei den betagten Gersbacher Bürgern bis heute in lebendiger Erinnerung geblieben. Auch Heinz Däther und Gerwin Gruber machen keine Ausnahme, wie ihre Erzählungen und Berichte über diese Zeit zeigen.
Noch im Sommer 1939 wurde am Westwall fieberhaft gearbeitet. Während die Bauern von den Feldern die Ernte einbrachten, zogen Militärkolonnen – damals noch mit Pferd und Wagen – durch das Dorf, um in den neuen Bunkern Stellung zu beziehen. Noch aber dachte niemand an den Ernstfall. Drüben in der Stadt richteten die Schausteller den Herbstmarkt aus: Schießbuden, Reitschulen und das große Festzelt standen für den Grenadiermarkt bereit.
Derweil liefen bei den Parteiorganisationen die Vorbereitungen für die Räumung der “Roten Zone” auf Hochtouren, in der Amtssprache genannt: “Die Freimachung von Wohngebieten in der Kampfzone.” Mit den Worten Adolf Hitlers am 1. September 1939 vor dem Reichstag: “Seit 5.45 Uhr wird in Polen zurückgeschossen” begann auch für das Grenzland im Westen der Krieg.
Aus den Grenzdörfern trieben die Soldaten das Vieh in großen Herden nach Osten. Auch die Gersbacher Bauern öffneten – so war´s ihnen befohlen worden – ihre Stalltüren. Auch sie sahen, wie ihre Kühe, Rinder und Schweine fortgetrieben wurden. Für die Bauern selbst galt der Befehl, ihr Dorf zu räumen, ihre Scholle zu verlassen: Die Pferde wurden angespannt, die Familie, Verwandte und das notwendigste Hab und Gut aufgeladen – und die Fahrt ins Ungewisse begann. Wer über ein eigenes Gefährt nicht verfügte, wurde mit Lastwagen und Omnibussen abtransportiert, unterwegs in Sonderzüge umgeladen und weiter in die “sicheren deutschen Gaue” gefahren. Haus und Hof, die Ernte in der Scheune blieben zurück.
Zurück blieben auch, und wenn nur wenige Tage, die wehrpflichtigen Männer, die jede Stunde mit ihrer Einberufung zu rechnen hatten. Noch eine weitere Gruppe, “Erntehelfer” genannt, musste zurückbleiben: Es waren etwa 15 zumeist junge, noch nicht wehrfähige Burschen, die – halbwegs kaserniert – gemeinschaftlich untergebracht und verpflegt wurden. In ihre eigenen Häuser und Wohnung durften sie nicht gehen. Die Aufgabe der “Erntehelfer” war es, reihum im Dorf das Getreide zu dreschen und die Erntevorräte der “Versorgung zuzuführen”. Im Frühjahr, nachdem sich der Krieg nach Frankreich verlagert hatte, bestellten die jungen Männer einen Teil der Felder und sorgten so für die “Heimkehrer” vor.
Jene aber, die ihr Dorf verlassen mussten, hatte es überwiegend nach Mainfranken verschlagen. So fanden sich viele als „Rückwanderer“ in Dittelbrunn bei Schweinfurt wieder. Dort waren sie unter der Obhut der Partei bei Privatleuten untergebracht und hofften auf eine baldige Heimkehr in die Heimat.
Aus der Familienmappe von Jakob Schindeldecker, geboren 1885, ist zu erfahren, dass ihm und seiner Frau Katharina ein “Räumungsfamilienunterhalt” von monatlich 138 Reichsmark gewährt worden ist; davon 58 Mark für das Familienoberhaupt, für die Ehefrau 29 Mark, dazu eine Quartiervergütung von 21 Mark und eine Beihilfe von 30 Mark. Während des Aufenthaltes in Dittelbrunn erhielt er vom Landratsamt Schweinfurt eine einmalige Beihilfe von 23,02 Mark und Bezugsscheine für Schuhe, Arbeitskleidung, Wäsche und Handtücher. Das Arbeitsamt in Schweinfurt und die Kreisleitung der NSDAP hatten gegen die Rückkehr nach Gersbach am 7. August 1940, keine Einwendungen zu erheben. Vorausgegangen war eine “Aufforderung zur Rückkehr in das freigemachte Gebiet”. “Im Auftrag des Reichskommissars für die Saarpfalz” schreibt der Landrat von Pirmasens, datiert auf den 19. Juli 1940 in Heltersberg, “berufe ich Frau Katharina Schindeldecker, Landwirtin aus Gersbach zurück”. Mit ihr kamen in den nächsten Tagen und Wochen alle, die nicht berufen waren, das “graue Kleid” zu tragen, zurück in ihr Heimatdorf.
Neues Leben begann in Gersbach: Es war Spätsommer, die meisten Felder lagen brach, Haus und Hof mussten in Ordnung gebracht und für die Ställe wieder Vieh beschafft werden.
Gersbacher Zukunftspläne 1940
Während die Menschen im Spätjahr 1940 die Folgen der Rückführung beseitigten und so mit den Problemen des Alltages beschäftigt waren, gingen die Parteioberen, geblendet von den Erfolgen der Blitzkriege in Polen und Frankreich, ans Werk, um den Aufbau des “Nationalsozialistischen Großdeutschen Reiches” zu vollenden. Die Westmark, in der viele Dörfer und Gemeinden zerschossen darniederlagen, schien das geeignete Übungsfeld zu sein. Hier sollte mit dem “Abriss” und dem Wiederaufbau begonnen werden. Bereits am 28. August 1940 forderte der Beauftragte für den Wiederaufbau der Orte im ehemaligen Grenzgebiet, Regierungsbaumeister Heuser, die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden auf, eine Denkschrift über die Zukunftsperspektive ihres Dorfes zu erstellen.
Die Denkschrift der Gemeinde Gersbach legte Bürgermeister Fritz Hildebrand am 18. September 1940 dem Landrat in Pirmasens vor. Aus dem mehrseitigen Konzept können nur die wesentlichen Punkte angeführt werden, die mit der Dorfentwicklung in Verbindung stehen: Wünsche, die längst vergessen sind, die heute nur noch ein Kopfschütteln hervorrufen, und andere, die glücklicherweise unerfüllt geblieben sind.
In Gersbach lebten 1940 in 133 Wohnhäusern und 190 Haushaltungen 850 Einwohner. Von den Erwachsenen sind 50 Prozent Industriearbeiter, sechs Prozent Heimarbeiter, sieben Prozent Gewerbetreibende, drei Prozent Handwerker, 14 Prozent Bauern (elf Erbhöfe), 20 Prozent Landwirte und knapp ein Prozent Landarbeiter gewesen.
Hinter der Unterscheidung zwischen Bauern und Landwirten verbirgt sich die Erbhofpolitik der Nationalsozialisten. “Erbhofbauer” war derjenige, der mehr als zehn Hektar Land besaß. Gersbach sollte ein Dorf der Erbhöfe werden. Die Landwirte, also Klein- oder Nebenerwerbsbauern, sollten zur Aufgabe bewegt oder in das zurückeroberte Reichsland Elsaß-Lothringen, selbst bis nach Ostpreußen ausgesiedelt werden. Bei der älteren Generation ist eine Auflistung über die vorgesehenen “Aussiedler” in Erinnerung geblieben. Die erhoffte baldige Durchführung der Flurbereinigung sollte ein erster Schritt zur Umwandlung des Dorfes sein.
Von der Bauernschaft war im Jahr 1940 die Anlage eines Dreschplatzes mit Scheune, die Erstellung eines Waschhauses und die Gründung einer Ortssparkasse, in Verbindung mit einer Verkaufsstelle zur Beschaffung landwirtschaftlicher Betriebsmittel, gewünscht worden. Anstelle einer zentralen Unterkunft für Erntearbeiter sollte bei den Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäuden der Erbhöfe Landarbeiterwohnungen angebaut werden
Die Gemeinde erhoffte, an zentraler Stelle ein repräsentatives Verwaltungsgebäude, in dem auch die Räume für Parteidienststellen und Formationen, ein “Feierraum” und ein Raum für das Heimatmuseum vorhanden sein sollten, errichten zu können. Dem Verwaltungsgebäude sollte nach der Planung des Gauleiters das HJ-Heim angefügt werden. Außerdem waren ein neues, größeres Schulhaus, ein Kindergarten, ein Spritzenhaus mit Schlauchturm, beim Friedhof ein Leichenhaus und für die Gemeinde drei größere Luftschutzräume gefordert worden.
Draußen vor dem Dorf war die Schaffung einer großen Kampfbahn mit Sportplatz, Turnhalle und Schießstand geplant, zusätzlich die Errichtung eines Schwimmbades, das schon seit längerer Zeit vorgesehen war.
Ein Bahnhof für Gersbach
In Sachen Verkehrserschließung “erhebt die Gemeinde Anspruch auf eine Bahnverbindung”. Im Interesse der “gutgehenden und schon auf dem Schuhmarkt bekannt gewordenen Schuhindustrie, wird die Verlegung der Bahnlinie Pirmasens-Bitsch über Gersbach beantragt”.
Für eine Verkehrsverbesserung im Ortsbereich sollte der Verlauf der Durchgangsstraße verbessert werden. Es fehle für die inzwischen im Dorf gehaltenen 25 Fahrzeuge eine Tankstelle und eine Reparaturwerkstatt, und da “zu vermuten ist, dass in absehbarer Zeit der Volkswagen sich im starken Maße einführt, wird die Erstellung einer großen gemeinschaftlichen Garage für 20 bis 30 Wagen in Erwägung gezogen”. Eine Gendameriestation sowie eine Fernsprech- und Radioanlage war nicht für erforderlich gehalten worden.
Zur Verschönerung des Dorfbildes “ist inmitten des Ortes, wo die zwei mächtigen Kastanienbäume stehen, die Herstellung eine schönen Versammlungsplatzes vorgesehen”. Am Rande des Platzes sollte der Dorfbrunnen neu gestaltet und die alte Scheuer abgerissen werden: “Das im Jahre 1930 errichtete Kriegerdenkmal bedarf der Änderung, insbesondere ist der Ersatz der Denkmalfigur durch einen aufrechtstehenden Krieger beabsichtigt”.
Letztendlich wurde die “Uniformierung” des Ortsbildes als Zeichen der Ordnung und der Disziplin aller Volksgenossen angestrebt. So sollten “alle Bürger zu einem einheitlichen Hausverputz und einem einheitlichen Ölanstrich der Türen, Fenster, Tore und Dachrinnen angehalten und erzogen werden. Alle von der Straße aus sichtbaren Fenster sollen künftig mit Blumen bestellt sein. Die Zäune aller an die Straße angrenzenden Gärten müssen ebenfalls einen einheitlichen Anstrich tragen. Gegen die Straße zu sollen die Gärten mit Rosen und Buschwerk bepflanzt werden”.
Zum guten Schluss schreibt der Bürgermeister in seiner Denkschrift: “Es bleibt Ziel der Gemeindeverwaltung Gersbach, die in dieser Denkschrift bekundeten Wünsche und Vorhaben durchzuführen. Der unterzeichnete Bürgermeister ist sich all der großen Aufgaben, die dabei zu lösen sind, bewusst. Er wird sie im Geiste der an ihn von der nationalsozialistischen Bewegung gestellten Anforderungen in Angriff nehmen.”
Bis zum bitteren Ende: Der Zweite Weltkrieg
Vom Krieg, von den Männern und Söhnen in der grauen Uniform, von gefallenen und vermißten Soldaten war in der Dokumentation des Bürgermeisters kein Wort zu lesen.
Voller Optimismus ist auch ein Beitrag des Ortsgruppenleiters im “Soldatenbrief” der Kreisleitung, Ausgabe 1/1942: Dort ist ein Bild veröffentlicht von der Pirmasenser Straße mit dem Schulhaus. Gleich vier wehende Hakenkreuzfahnen, aufgereiht am Straßenrand, zeigen ”daß Fahnenschmuck nunmehr einheitlich im Dorf durchgeführt ist”.
Im folgenden Grußwort schreibt der Ortsgruppenleiter an seine Gersbacher Kameraden: “In der Heimat geht die Arbeit unermüdlich weiter. Die Ernte ist restlos eingebracht. Wir zu Hause müssen es als unsere Pflicht Euch gegenüber ansehen, überall tatkräftig mitzuwirken, um so die Heimatfront zu garantieren. Mit Stolz muss festgestellt werden, dass die Heimat ein Wille beseelt und nur einem Ziele zustrebt… Ich wünsche Euch, meine Kameraden, überall, wo Ihr auch steht, alles Gute für die Zukunft…”
Drei Jahre noch währte der Krieg: Von Afrika bis zum Nordkap, von Rußland über den Balkan bis zur Westküste Frankreichs, überall standen die Gersbacher Männer und Söhne mit an der Front, erlebten die Wende, die Niederlagen und für viele den todbringenden Rückzug.
Der Krieg tobte längst auch in der Heimat, Städte und Dörfer waren das Ziel der alliierten Luftwaffe. So lagen die Gersbacher Bauern während der Kartoffelernte am 9. August 1944 in den Ackerfurchen des Eischberges und erlebten den Bombenangriff auf Pirmasens. Am 15. März 1945 sahen sie von der Sang hinüber auf die brennende Stadt, nur noch fünf Tage sollte da der Krieg dauern.
Gersbach blieb von den Fliegerangriffen weitgehend verschont. Lediglich in der Nacht vom 24. auf den 25. April 1944 kam das kleine Bauerndorf mit der feindlichen Luftwaffe in “Berührung”: Ein englischer Bomber, der auf dem Rückflug von einem Angriff auf Ludwigshafen war, wurde von der Pirmasenser Luftabwehr getroffen und stürzte brennend in den Breitsitterswald, dabei – so wird heute jedenfalls erzählt – noch Brandbomben auf das Dorf werfend. Von sieben Toten im “Zuhang” wird berichtet, auf dem Gersbacher Friedhof waren aber nur fünf unbekannte britische Soldaten beerdigt worden. Sie wurden am 19. April 1948 ausgegraben und auf den englischen Nationalfriedhof überführt.
Fliegerangriffe hatten die Gersbacher kaum zu fürchten, aber die näher rückenden Amerikaner schossen mit der Artillerie auf das Dorf. Drei Häuser kamen zu Schaden. Die deutschen Soldaten verließen fluchtartig das Dorf: Ihr Verfolger aus dem Westen war die “3. US Infanterie Division”, die sich “desert rats” nannte. Karl Mörsch schrieb darüber in der Pirmasenser Zeitung: “Nach der Einnahme von Zweibrücken am 20. März ging der Vormarsch über die Sickinger Höhe und durch das Schwarzbachtal weiter. Winzeln, Windsberg, Gersbach und alle im Osten und Norden liegenden Nachbarorte von Pirmasens, wurden durch die 3. USID besetzt.”
Nachdem Reichsmarschall Hermann Göring in Begleitung des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen, Dr. Fritz Todt, im Juni 1938 eine Besichtigungsreise in die für die Westbefestigung in Frage kommenden Gebiete unternommen hatte und am 14. Juni 1938 Hitler auf dem Berghof berichtete „Es ist so gut wie nichts da“ , erhob Hitler schwere Vorwürfe gegen den Generalstab des Heeres und gab Todt den Auftrag, in eineinhalb Jahren 10.000 Betonbauten, die Hälfte bis zum Herbst 1938, zu erstellen.
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