Kapitel 10
Wald und Natur in Gersbach
- a) Vom Forsthaus und seinen Förstern
Vom Gersbacher Revierförster Wolfgang Ulrich
Das Forsthaus in der Windsberger Straße 41 wurde im Jahr 1903 gebaut. Für 17.950 Reichsmark errichtete damals die königlich-bayerische Forstverwaltung nach dem gleichen Bauplan mehrere Forsthäuser im Pfälzerwald, neben dem Gersbacher auch das Erlenbrunner, in dem heute das Forstamt Pirmasens untergebracht ist. Der erste Bewohner des Gersbacher Forsthauses war Hermann Wunderer, Forstwart in Gersbach.
Er wurde von dem legendären Revierförster Georg Burkhardt abgelöst, der 25 Jahre, von 1934 bis 1959, in Gersbach lebte. Durch Änderungen in der Organisation gehörte übrigens das Revier Gersbach von 1942 bis 1961 zwischenzeitlich zum Forstamt Zweibrücken. Schon 1959 war Martin Franzreb als neuer Revierförster eingezogen. Damals war Gersbach Forstamtsaußenstelle von Pirmasens und berechtigt, ein Dienstsiegel zu führen. Regelmäßig fanden Dienstbesprechungen mit den Forstwarten der zugehörigen Gemeindewälder statt, wo Holzeinschlag und Waldarbeitereinsatz besprochen und das Betriebsklima gepflegt wurde.
1971 folgte auf Franzreb als Revierförster Adolf Singer, dessen Zeit in Gersbach aber schon nach sechs Jahren endete, als 1977 wieder eine Neuordnung der Reviere erfolgte. Er wechselte in das damalige Revier Bottenbach, das die Gemeinden der Hackmesserseite umfasste.
Bodo Noack zog nun in das Forsthaus in Gersbach ein. Er fand auch ein vergrößertes Revier vor, da der Stadtwald Pirmasens hinzugekommen war. Aber auch der Name wurde in “Pirmasens – Sommerwald” umgeändert. Doch schon zehn Jahre später hatte diese Neuregelung wieder ausgedient, denn die Reviere wurden erneut umgestaltet. Ein siebtes Revier mit dem Namen “Sommerwald” wurde gebildet, das Noack, der Ende 1987 nach Petersberg zog, übernommen hat.
Am 1. Januar 1988 übernahm ich selbst das Revier, an dessen Tradition sich der Forst wieder erinnert und es in “Revier Gersbach” umbenannt hatte. Zu ihm gehören 450 Hektar Stadtwald Pirmasens, sechs Hektar Gemeindewald Obersimten, 300 Hektar Staatswald und rund 400 Hektar Kleinstprivatwald. Das Revier erstreckt sich von Windsberg bis zum Waldfriedhof und von Petersberg bis Obersimten. Ob diese Grenzen noch lange Bestand haben, ist aber fraglich, da eine Umorganisation der Forstämter und Reviere diskutiert wird. In Fortführung der alten Tradition bleibt mit großer Sicherheit aber Name und Sitz des Gersbacher Reviers erhalten.
- b) Privilegien für das Gersbacher Forstrevier
Von Fritz Burger
Forstdirektor Lothar Kempf, der länger als 25 Jahre das Forstamt Pirmasens geleitet hat, erinnert sich – zumindest vom Hörensagen – an den ersten Gersbacher Förster Hermann Wunderer. Kempf, einer alten Försterfamilie aus dem Stumpfwald entstammend, hörte im Ramsener Forsthaus zu, wenn die pfälzischen “Grünröcke” über den gestandenen urbayerischen Forstmann Wunderer sprachen.
Der Zufall wollte es, daß Lothar Kempf während einer Urlaubsreise in Bad Reichenhall mit Wunderers Tochter zusammentraf. Sie berichtete ihm aus ihrer Kindheit und Jugend in Gersbach. Zu jener Zeit, so Kempf, besaß der Forstwart zu Gersbach mit dem bereits erwähnten Dienstsiegel besondere Privilegien, die nur drei Forstreviere in der bayerischen Pfalz hatten.
Wie Revierförster Wolfgang Ulrich schon berichtet hat, besteht das Revier Gersbach noch heute überwiegend aus Gemeinde- und Privatwaldungen. Neben Gersbach und Winzeln gehörten nach der bayerischen Forstorganisation des Jahres 1822 die Wälder der Schwarzbachtalgemeinden, vornehmlich des Kirchspiels Nünschweiler, zum Gersbacher Forstrevier.
Die Außenstelle Gersbach des Forstamtes Pirmasens verwaltete damals ihre eigene, mit den waldbesitzenden Gemeinden abgestimmte Kasse, erstellte eigene Bewirtschaftungspläne, zahlte die Löhne an die von den Gemeinden beschäftigten Forsthüter, berechnete die anteiligen Beträge der Gemeinden und wickelte den Holzverkauf ab. Dazu bedurfte es des Dienstsiegels, das die bayerischen Forstmänner Hermann Wunderer und Georg Burkhardt mit berechtigtem Stolz benutzten.
- c) Mardellen, Tümpel, Puhle
Von Fritz Burger
“Himmelsaugen” werden von romantisch veranlagten Wanderern die kleinen Tümpel und Teiche genannt, die dort, wo sich der Muschelkalk über den Buntsandstein schiebt, zum Landschaftsbild des Westrichs gehören. Mardellen, so ihr wissenschaftlicher Name, sind wertvolle, kleinräumige Lebens- und Siedlungsräume seltener und schützenswerter Pflanzen und Tiere. Es sind meist kreisrunde, selten auch ovale Tümpel von zehn bis 30 Meter Durchmesser mit unterschiedlichen Tiefen, die die meiste Zeit des Jahres über mit mehr oder weniger Wasser gefüllt sind. Je nach Lage im freien Feld, am Waldrand oder im Hochwald sind die im Volksmund “Puhl” genannten Tümpel vermoort oder versandet.
Die Entstehung der Mardellen ist bis heute nicht eindeutig geklärt, es gibt daher mehrere plausible Theorien: Die nächstliegende geht davon aus, daß die Mardellen künstlich, durch Menschenhand, geschaffen wurden. Nachweislich wurden sie zu früheren Zeiten häufig benutzt, als Lehm- oder Tongruben, zur Holzlagerung, im Winter zur Eisgewinnung, im Sommer als Ententeich oder gar als Viehtränke. Anhand entnommener Torfgruben konnte bei einzelnen Mardellen ein Alter von nahezu 1.000 Jahren ermittelt werden. Dieses Ergebnis bestärkt die Annahme, dass die Tümpel höchstwahrscheinlich mit einer frühen Besiedlung unserer Region in Zusammenhang stehen. Archäologische Ausgrabungen in lothringischen Mardellen haben ergeben, dass etliche von ihnen als keltische Wohngruben dienten. Eine andere Theorie, die von natürlichen Gruben ausgeht, wird mit erdgeschichtlichen Vorgängen – der Erdfalltheorie – begründet.
In unserem Jahrhundert sind die Mardellen stark dezimiert worden. Wurden im Jahr 1929 im westlichen Teil des Landkreises Pirmasens noch 88 Mardellen gezählt, waren es 1977 nur noch 20. Gerade die Mardellen in der Feldflur wurden zumeist das Opfer eines falsch verstandenen Ertrags- und Realisierungsdenkens in der Landwirtschaft. Die meisten Tümpel wurden während der Flurbereinigung zugeschüttet. Aber auch die Forstverwaltung hat bisher wenig zum Erhalt der Mardellen beigetragen. Bei Holzfällungen und Neubepflanzungen mit Abraum gefüllt, sind die “Puhle” in wenigen Jahren vermoort, verwachsen und vergessen. Eine weitere Ursache für die starke Dezimierung der Mardellen ist im Westwallbau zu sehen, wobei die Anlage von Laufgräben, Schützenlöchern und Wegtrassen vielen Tümpeln ein Ende bereitete.
Unberührt blieben in der Gersbacher Gemarkung die Mardelle hinter dem Sportplatz, aber auch mehrere “Puhle” im Breitsitters. Und auch auf dem benachbarten Windsberger Bann haben sich im Harschbrunner Wald und dem Hochwald noch solche geheimnisumwitterten Tümpel erhalten. Vergessen sind inzwischen völlig die Mardellen auf der Feldflur: Bei der älteren Generation ist in Gersbach der “Johannespuhl” in Erinnerung geblieben, der im Bereich des heutigen Gewerbegebietes an der Rotmühlstraße sogar einer Teilgewann den Namen gegeben hat: Im Sommer quakten in ihr die Frösche, im Winter lief die Dorfjugend auf ihr Schlittschuh.
- d) Naturdenkmal Hexenklamm
Von Fritz Burger
In der feuchten Aue des Jungeschenwaldes verlöschen im späten Frühjahr die bunten Blütenähren des breitblättrigen Knabenkrautes. Braungelb stehen die Blütenstengel der seltenen Orchidee in dem aufschießenden Gras, geschützt von dürrem Geäst, das der Wind aus den Zweigen geschüttelt hat. Das geschlossene Laubdach wirft Schatten auf den lehmig feuchten Waldboden. Die wärmende Kraft des Sonnenlichtes wirkt gedämpft, anders als im noch jungen Frühjahr, wenn die Sonne durch das noch kahle Astwerk des Altholzes scheint. Da öffnen schon um die Osterzeit die Buschwindröschen – von den Kindern Kuckucksblumen genannt – ihre weißen Blütenkelche. Ihnen zugesellt haben sich die rötlich-violett leuchtenden, buschig wachsenden Waldveilchen, umgeben von ungezählten gelben Sternen des Scharbockkrautes, dazwischen noch schüchtern die ersten Blüten der Walderdbeere gestreut. Die hohen Stengel des Wiesenschaumkrautes wiegen sich im Wind: Eindrücke auf dem Weg vom Gersbacher Sportplatz zur Hexenklamm.
In der feuchten, wasserreichen Klamm selbst findet der aufmerksame Naturfreund die seltenen Blüten des Aronstabes und der Teufelskralle. Der sumpfig-wassrige Talgrund ist übersät von honigfarbenen, sattgelb blühenden Sumpfdotterblumen. Das Wasser, das vom “Ungeheurenen Grund” herfließt, aus den Felsen und Rissen des Harschberges sprudelt und rinnt, wird zu einem kleinen Bächlein, das lustig hüpfend über die Felsbrüche springt. Mehrmals läßt es sich einige Meter tief über die Steinkanten fallen, stößt sich an gebrochenem Holz, treibt kleine Kiesel und Sand vor sich her, bevor es gurgelnd oder mit verhallendem Rauschen durch die enge Schlucht abfließt.
Trotz seiner Lebendigkeit ist das Cranbächlein, das die Hexenklamm durchfließt, um die Zeit der Sommersonnenwende bräver und stiller als zu anderen Jahreszeiten. Im Herbst, wenn die Regenzeit beginnt, im Winter, wenn Eis und Schnee die Felsbrüche in ein frostiges Zauberland verwandeln, wenn in den Rauhnächten Wodans wildes Heer durch die Baumkronen der umstehenden Wälder jagt, wenn droben auf den Feldern die Schneeschmelze beginnt und das Wasser in seiner unbändigen Kraft in der Felsenklamm rumort, dann wird dem Wanderer, der eine Tour durch die Hexenklamm wagt, deutlich, wie diese Schlucht im Lauf der Jahrtausende entstehen konnte.
Einblick in die Erdgeschichte
In den Hang des Harschberges ist eine tiefe Klamm gerissen. Sie reicht von der westpfälzischen Muschelkalkschicht und dem darunter lagernden weichen Konklomoratgestein bis hinunter auf den Grund des Felsalbtales, das eingeschnitten ist in die Schichten des mittleren Buntsandsteins. Die Hexenklamm erlaubt dem Menschen des 20. Jahrhunderts einen Einblick in die Erdgeschichte unserer Heimat, in den geologischen Aufbau des pfälzischen Buntsandsteins.
Bereits zu Beginn unseres Jahrhunderts wird die Hexenklamm in der Liste der schützenswerten Landschaftsteile der Pfalz als Naturdenkmal geführt. Kein Wunder, wenn damals die junge Generation beim Aufbruch der Wandervogelzeit auch die Hexenklamm, in der die Naturgewalten spürbar sind, als eines ihrer Wanderziele entdeckte. So wurde die Klamm schon früh erschlossen. Im Frühjahr wurden immer wieder neue Wege und Stege angelegt, die in gleicher Regelmäßigkeit vom reißenden Wasser überflutet und beiseite geschwemmt wurden: Dieses Wechselspiel ist bis heute unverändert geblieben.
Von Hexen und bösen Geistern
Die Hexenklamm, durch deren oberen Teil die ehemalige Grenze der Herrschaften Pfalz-Zweibrücken und Hanau-Lichtenberg verlief, trägt einen Hauch heimatgeschichtlicher Besonderheit, zumal oben auf der Höhe bei der “Alten Klink” einst eine Zollstation gewesen ist. Es wird erzählt, daß so mancher Schmuggler oder finstere Gesell durch die gefürchtete Klamm, durch den “Ungeheuren Grund”, in das andere Herrschaftsgebiet geschlichen sei. Erzählt wird aber auch vom Wirt der Windsberger Dorfschenke, daß er, mit einer Fuhre Wein aus der Vorderpfalz kommend, in der Geisterstunde im “Ungeheuren Grund” verhext worden ist. Seit jener Begegnung des weinseligen Wirtes mit Hexen und bösen Geistern wird die Schlucht “Hexenklamm” genannt.
Wer sich mit Heimatkunde beschäftigt, wer die Gemarkungsgrenzen der Dörfer kennt, wird sicher fragen, warum in der Gersbacher Ortschronik über die Hexenklamm erzählt wird, wenn sie doch auf der Windsberger Gemarkung liegt? Mir als Autor dieses Essays ist diese Tatsache wohl bewusst, aber dennoch habe ich auch über die Hexenklamm als Gersbacher Naturdenkmal geschrieben: Schließlich wird oft genug die Hexenklamm in einem Atemzug mit Gersbach genannt und nicht zuletzt ist sie ein beliebtes Ausflugsziel der Gersbacher, so dass sie auch als unverzichtbarer Bestandteil einer Gersbacher Chronik angesehen werden muss.
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