Kapitel 01 – Erste urkundliche Erwähnung

Von Guido Glöckner

 

Mit dem 1. Mai 1295 beginnt die geschriebene Gersbacher Geschichte: An diesem Tag fertigten die beiden Söhne Walram und Eberhard des 1282 verstorbenen Grafen Heinrich II. von Zweibrücken eine Urkunde an, in der sie das Herrschaftsgebiet ihres Vaters untereinander aufteilten. 13 Jahre hatten sie die Regierungsgeschäfte der Zweibrücker Besitzungen gemeinsam geführt, bevor die sich ständig mehrenden Streitigkeiten zwischen den Brüdern im Jahr 1295 zu diesem Schritt führten. Während Walram im Stammsitz der Familie die Zweibrücker Linie fortführte, begründete Eberhard, nach einem Gebietstausch mit dem lothringischen Herzog im Jahr 1297, die neue Grafschaft Zweibrücken-Bitsch (Sitz in Bitsch) mit dem Amt Lemberg, das ihm bei der Teilung der Zweibrücker Besitzungen zugefallen war. Im Lemberger Amt lag auch das Dörfchen Gersbach.

 

Mit der Urkunde vom 1. Mai 1295 teilten die beiden Brüder den gemeinsam verwalteten Besitz, gleichzeitig aber auch ihre Untertanen. Der Vertrag galt sogar in erster Linie dem “menschlichen” Besitz, weniger dem Land: Zunächst blieb das Herrschaftsgebiet nämlich noch gemeinschaftlich, auch wenn sich die kommende Gebietsteilung schon klar erkennen läßt. Erst im Jahr 1333 einigten sich die beiden Söhne Eberhards, Simon und Eberhard II. von Zweibrücken-Bitsch, mit Walrams Sohn, Walram II. von Zweibrücken, in einem endgültigen Teilungsvertrag, nachdem sich die beiden Grafenfamilien zuvor weitere 38 Jahre über den gemeinsamen Zweibrückischen Besitz gestritten hatten. Erst 1333 wurden die bisher noch gemeinsam verwalteten Güter wirklich geteilt, eine Grenze gezogen und die jeweiligen Rechte festgeschrieben, und erst jetzt war das Amt Lemberg auch alleiniges Eigentum der Grafschaft Zweibrücken-Bitsch.

 

Für die Gersbacher ist dieser Vertrag nicht nur wegen der ersten urkundlichen Erwähnung von Bedeutung, sondern auch wegen der darin getroffenen Besitzaufteilung, die später ja auch zur Gebietsaufteilung werden sollte: Als “Gerlisbach” wird der Ort Eberhard zugeschlagen. Nachdem 1333 die Teilung endgültig festgeschrieben wurde, befand sich Gersbach an der westlichen Grenze der Grafschaft Zweibrücken-Bitsch. Bis zur französischen Herrschaft 1793 blieb es ein Grenzdorf, zunächst an der Grenze zur Grafschaft Zweibrücken, später zum Herzogtum Pfalz-Zweibrücken.

 

Hier nun, nachdem die im Hauptstaatsarchiv München untergebrachte Originalurkunde vom 1. Mai 1295 durch ihren schadhaften Zustand nur schwer leserlich ist, ihr genauer Wortlaut, der aus Carl Pöhlmann, “Regesten der Grafen von Zweibrücken aus der Linie Zweibrücken” (Eingeleitet, bearbeitet und ergänzt unter Mitwirkung von K.-W. Herrmann durch A. Doll, Speyer 1962, Nr. 369, S. 119-121) übernommen wurde:

 

“1295 Mai 1. Wir Walrabin der greve von Zeuinbrucken unde unsir erbin dun kunt allen den, die diesin brief ane sehint odir horint lesin, daz wir solich gut, eygin unde erbe, alse wir unde unsir brudir Ebirhart der greve von Zeuinbrucken unde sin erbin hain, daz wir Walrabin daz gedeilit hain, alse hernach gescribin steit: zu Birmesessen in deme dorf, da Cunrat sizcet uffe den berge, unde Herman Kerwisses sun, unde die da her abe sizcent, daz d[i]sn der deil zu deme nider deile ist gelaith, Hunescheit daz dorf, Jrmendal unde Zeune man zu Ruperehteswilre; Stange unde Ulrich, Rudeche, H[oin B]urrnen daz dorf unde Abelung[e]sburnen, Gudinbach, Gerlisbach, Grozineich, Veningin, da Cunrat Grabemecheres sun sizcet, unde der andere Cunrat an deme wege, die horint zu Birmesessen an daz nider deil; Rimelindail daz dorf, E[in]othe, Eppenburnen unde die mulin zu Hoinburnen unde die mulin [in] L[on]genberch. Hernach ist Eiswilre alsus gedeilit, da Merkele sizcet unde Wendelmut, daz ist daz niderste deil von Eiswilre unde gehorit in das nider deil von Birmesessen. Jn die deilunge horit Einothe daz dorf, Scorpach, Zumelon, Meisinbach unde Froszauwe daz dorf unde H[er]twich zu me cru[ce. Z]u diseme seibin niderdeile von Birmesessen horint f[ir]zich man, di zu deme eigene von Eiswilre horint unde sizcent zu [Cun]tw[ic]h unde Wile. d. n… in dei selbir deilunge horit Rey[n]lin unde sine suster unde Heinrich Stame unde …. ach Heinrich, Friderich, Viken, [C]hunzen sun dise …. [hor]int zu B…. ab … unde eine widewe von Dunsutere, zu deme S[elbin deil] …ie die mulin zu Steigen unde die mule zu Mulenhusin. Zu de[m]seilbin deile hain wir gelegit Sante Johanne daz dorf unde Ru[delin]gin daz dorf unde Oppirdingen unde Rudelinberch unde Riberdingen unde Gemunde unde Kuinrisbach unde Leicelbingin unde Diderchingen unde die gulte zu Eme[swilre] unde Schonenbach unde Hizhusin unde Olne[?] von me steine unde Cune der budil. An das seilbe deil horint die luthe die hie gescribin sint: Sibele, Cunrat, Spiznageles sun, Cunze, Pe..brath, Justelere, Hartliep, Nagil, Cunze der fürstere unde sine kint, [Jo]h[an] Sibelin sun, Wolfram, Cunze Gartenere, Heinrich Schusuthere, der Heinoltin dohthere, Henekines wip unde ire kint, Bere, Friderich der portenere, Friderich der heinburge, Mezze Eberwines, Friderich Sterz, Cunrat Pice, Landotere, Bige, Juver, Clukehamir, Rutart, Frohere. Zu diseme deile horit der hof von Azcenstein unde die mulin von Dellenvelt unde Scorpach unde die luthe, die hie steint gescribin: Cunrat, Friderich, Ebirnant, Petir, Hezelo unde der smit unde der andere Ezelin unde Simon. Auch sprechin wir, swo das unsir gemeine gerihte sint, den freivil, den die luthe dunt, unde ane horint mich, die sulin mir [b]esserin unde mime brudir nit, unde mines brudir luthe mime brudere besserin unde mir nit. Sint ez abir anderre herren l[uthe], die s[o]lin uns bedin besserin. Auch solin unsir luthe gewalt hain zu zihene reh[tin zuc]h, a[lse ez] von altere kumin ist. Nimit auch eine juncfrauwe einin man, die min ist, unde ist der man mines brudirs, sie sal deme manne v[o]lgi[n]. A[bir] ..uh die juncfrauwe, die mines brudir ist, nimit sie minen man, so sal sie mime volgin. Auch insal noch inmach inkeine wideman odir widewip zu der ee grifin, sind sie min, ane minen willen; sind sie mines brudir, ane sinen willen. Wir sprechin auch, were, das ein unsir man von uns zuge odir von unserin herbin hindir unserin brudir odir sine erbin, der in diese deilunge gehorit, dez hus unde hof unde erbe sal uns unde unserin erbin verliben. Alse spreche wir auch, were, daz unsirs brudir man odir siner erbin hindir uns zuge odir unsir erbin, des hus unde hof unde erbe sal unserin brudere unde sinen erbin verliben. Auch horit Bertolt von Hoinburnen unde sine dohtir in daz obir deil von Birmensessen unde Albret von Birmensessen in das nider deil von Birmensessen. Dise deilunge geschach an deme dage, do von godis guburte was zuolf hundirt iair unde funfe unde nuinzich iair, an sante Walpurge dage.”

(Ausf., Perg.S. ab: München, H-St-A. Rheinpf. U. Nr. 2579.- Schrift stellenweise durch Pilzschäden zerstört, Perg. zerrissen und löcherig. Irrtümer sind daher nicht ausgeschlossen.)

 

Nachfolgend hat Dr. Jürgen Beckmann aus Albersweiler für die Gersbacher Ortschronik eine Übertragung ins Neuhochdeutsche überlassen:

 

“Ich, Walram Graf von Zweibrücken, und meine Erben setzen alle diejenigen davon in Kenntnis, die diese Urkunde lesen oder vorgelesen bekommen, daß wir unsern Besitz an Eigen- und an erblich verliehenem Gut, über den ich und mein Bruder Eberhard, Graf von Zweibrücken, und seine Erben gemeinsam verfügen, daß wir eben diesen Besitz in der Weise geteilt haben, wie es im folgenden beschrieben ist: Pirmasens, das Dorf, wo Konrad auf dem Berg wohnt, und Hermann, der Sohn des Kerwiß, und die von da an abwärts wohnen, daß dieser Teil zu dem niederen Teil gezählt wird: das Dorf Hunescheid 1), Jrmendal 2) und zwei Männer aus Ruppertsweiler: Stange und Ulrich Rudeche; die Dörfer H<oin B>urrnen 3), Abelung<e>sburnen 4), Gudinbach 5), Gersbach, Grozineich 6), Vinningen, wo Konrad, der Sohn des Totengräbers, wohnt und der andere Konrad an dem Weg, die gehören zum niederen Teil von Pirmasens; ebenso die Dörfer Rimelindail 7), E<in>othe 8), Eppenbrunn und die Mühle zu Hombrunn (siehe Anmerkung 3) und die Mühle zu L<on>genberch 9). Danach wird Eiswilre 10) folgendermaßen geteilt: wo Merkel und Wendelmut wohnen, das ist der niederste Teil von Thaleischweiler und gehört zum niederen Teil von Pirmasens. In diesen Teil gehören die Dörfer Höheinöd, Scorpach 11), Zumelon 12), Meisinbach 13) und das Dorf Froszauwe 14) und Hertwig zu dem Kreuz. Zu demselben niederen Teil von Pirmasens gehören 40 Mann, die zu dem Eigengut von Thaleischweiler gehören und in <Cun>tw<ic>h 15) und Wile 16) wohnen. […] In denselben Teil gehören Rey[u]lin und seine Schwester, Heinrich Stame und … auch Heinrich, Friedrich, Viken, der Sohn des Kunz. Diese… gehören zu P(irmasens) […] und eine Witwe in Donsieders, […] die Mühle zu Steigen 17) und die Mühle zu Mulenhusin 18). Zu demselben Teil haben wir geschlagen die Dörfer Sante Johann 19), Ru<delin>gin 20), Oppirdingen 21), Rudelinberch 22), Riberdingen 23), Gemünde 24), Kuinrisbach 25), Leicelbingin 26) und Dietrichingen wie auch die Einkünfte von Eme<swilre> 27), Schonenbach 28), Hizhusin 29), Olne (?) von dem Steine und Kuno den Büttel. Zu diesem Teil gehören auch die Leute, die hier genannt sind: Seibel, Konrad Spitznagels Sohn, Kunz […] Justeler, Hartlieb, Nagel, Kunz der Förster und seine Kinder, Johann der Sohn des Seibel, Wolfram, Kunz der Gärtner, Heinrich der Schuster, die Tochter der Heinoltin, die Ehefrau des Henneke und ihre Kinder, Bär, Friedrich der Pförtner, Friedrich der Dorfvorsteher, des Eberwins Metze, Friedrich Sterz, Konrad Pice, Lantoder, Bige. Juver, Clukehamer, Rutard und Froher. Zu diesem Teil gehört auch der Hof zu Azcenstein 30), und die Mühle von Dellfelt und Scorpach (siehe Anmerkung 11) und alle Leute, die hier genannt werden: Konrad, Friedrich, Ebernand, Peter, Hezelo und der Schmied und der andere Ezelin und Simon. Auch bestimmen wir, wo immer sich unsere gemeinsamen Gerichte befinden, daß die Leute, die mir angehören, für ihre Vergehen mir und nicht meinem Bruder Bußgeld zahlen sollen, während diejenigen, die meinem Bruder angehören, ihm Bußgeld zahlen sollen und nicht mir.Sind es aber anderer Herren Leute, so sollen sie uns beiden Bußgeld zahlen. Auch sollten unsere Leute berechtigt sein, Klage zu erheben in der gebührenden Art und Weise, wie sie von alters her überkommen ist. Nimmt ein Mädchen, das mir eigen ist, einen Mann, der meines Bruders eigen ist, so soll es ihrem Mann folgen. Aber … auch das Mädchen, das meinem Bruder eigen ist und einen meiner Männer heiratet, soll diesem folgen. Auch soll noch darf kein Witwer oder keine Witwe, sofern sie mir eigen sind, ohne meine Zustimmung eine neue Ehe eingehen; sind sie meines Bruders eigen, so nicht ohne seine Zustimmung. Wir verfügen auch: sollte einer meiner Männer von mir oder von meinen Erben zu meinem Bruder oder seinen Erben ziehen wollen, so verbleibt dessen Haus, Hof  und gesamtes erblich verliehenes Gut bei mir und meinen Erben; weiterhin bestimmen wir: sollte ein Mann, der meines Bruders oder seiner Erben eigen ist, zu mir oder seinen Erben ziehen, so verbleibt dessen Haus, Hof und gesamtes erblich verliehenes Gut bei meinem Bruder und seinen Erben. Auch sollen Bertold von Hombrunn und seine Tochter zum oberen Teil von Pirmasens gehören, Albrecht von Pirmasens (aber) zum niederen Teil. Diese Aufteilung erfolgte im Jahr 1295 nach Christi Geburt am Tage der heiligen Walburga (= 01.05.).

(Zeichenbenutzung: drei Punkte im Text bedeuten: Lücken bereits im vorliegenden Urkundentext; drei Punkte, in eckige Klammern gesetzt, bedeuten: Stellen, die von mir nicht sinnvoll zu übertragen sind; Ergänzungen, in spitze Klammern gesetzt, stammen von C. Pöhlmann; Ergänzungen, in runde Klammern gesetzt, stammen von mir. Dr. Jürgen Beckmann)

 

Anmerkungen:

01) Hunescheid = Wüstung nördlich Pirmasens, heute “Husterhöhe”

02) Jrmendal = Wüstung bei Lemberg

03) H<oin B>urren = Hombrunn, heute Hombrunnerhof östlich von Pirmasens

04) Abelung<e>sburnen = Wüstung bei Pirmasens

05) Gudinbach = Wüstung bei Lemberg

06) Grozineich = Wüstung bei Gersbach

07) Rimelindail = Wüstung bei Vinningen

08) Einothe = Wüstung südwestlich Bottenbach, heute Einöderwiesenhof

09) L<on>genberch = wohl Langenberg, heute Langmühle südlich von Lemberg

10) Eiswilre = Eisweiler, heute Thaleischweiler

11) Scorpach = Wüstung westlich Burgalben

12) Zumelon = wohl Zumeton, später Simten, heute Niedersimten

13) Meisinbach = Wüstung westlich Thalfröschen

14) Froszauwe = heute Thalfröschen

15) <Cun>tw<ic>h = Contwig

16) Wile = aus lateinisch villa, vermutlich später Offweiler, heute Offweilerhof?

17) Steigen = Wüstung bei Biebermühle

18) Mulenhusin = Wüstung südöstlich Maßweiler, heute Faustermühle?

19) Sante Johann = Wüstung östlich Hornbach

20) Ru<delin>gin = vermutlich ehemalige Gemarkung südöstlich von Riedelberg

21) Oppirdingin = Opperding/Lothringen

22) Rudelinberch = Riedelberg

23) Riberdingen = Wüstung südwestlich Großsteinhausen

24) Gemünde = Wüstung nördlich Dietrichingen

25) Kuinrisbach = Kirschbach, heute Kirschbacherhof

26) Leicelbingin =  Wüstung nordwestlich Dietrichingen, heute Monbijou

27) Eme<swilre> = Wüstung nordöstlich Windsberg

28) Schonenbach = Wüstung südwestlich Thaleischweiler

29) Hizhusin = Hitschenhausen, Wüstung südlich Maßweiler, heute Hitscherhof

30) Azcenstein = Wüstung bei Höheinöd

(Die Deutungen der Ortsbezeichnungen entstammen im wesentlichen: Ernst Christmann, “Die Siedlungsnamen der Pfalz”, Band 1, Speyer, 1952, Band 2, Speyer, 1964. Herrn Oberstudiendirektor i.R. Dr. M. Dolch, Kaiserslautern verdankt der Autor der Übersetzung ins Neuhochdeutsche einige Anregungen, unter anderem war er behilflich bei der Deutung der Bezeichnungen Nr. 08), 09), 16) und 20). Dr. Jürgen Beckmann)

 

Quellen:

Hauptstaatsarchiv München.

Carl Pöhlmann, “Regesten der Grafen von Zweibrücken aus der Linie Zweibrücken”,

Speyer, 1962.

Dr. Jürgen Beckmann, Albersweiler, Übersetzung der Urkunde vom 1. Mai 1295

Willi Schmitt, “750 Jahre Donsieders”, Donsieders, 1995.

J.G. Lehmann, “Urkundliche Geschichte der Burgen und Bergschlösser der bayerischen Pfalz”, Band I bis V, Kaiserslautern, 1857.